© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Aufgeschnappt
Ohne Wehr und Waffen
Matthias Bäkermann

Kirchenschlager wie „Danke für diesen guten Morgen“ wären wohl das Ideal. Denn das Preisen der „Arbeitsstelle“ und dem „Verzeihen gegenüber dem größten Feinde“ offenbart keinerlei „Gewaltzusammenhang der Gesangbuchsprache“, den die Literaturwissenschaftlerin Martina Wagner-Egelhaaf vergangene Woche in ihrem Vortrag „... und steuere deiner Feinde Mord“ beschrieb. Für die Ringvorlesung des „Exzellenzclusters ‘Religion und Politik’“ an der Universität Münster hat die 54jährige sich das „Evangelische Gesangbuch“ und das katholische „Gotteslob“ in verschiedenen Versionen vorgeknöpft und ist auf allzu viele Kirchenlieder gestoßen, die von einer Sprache der Gewalt geprägt sind. „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“ von Martin Luther sei ein prominentes Beispiel von „echtem geistlichem Kampf- und Gewaltpotential“, bekennt Wagner-Egelhaaf in der Münsterschen Zeitung.

Dennoch verzichtet die Dozentin für Neuere deutsche Literatur auf einen Aufruf zur Anti-Gewalt-Inspektion, denn inhaltlich sei durch jahrhundertelange Veränderung der Textbestand vieler Lieder „äußerst instabil“, heutige Versionen seien meist „politisch ziemlich korrekt“, schmunzelt die auch in „Gender-Studies“ erfahrene Wagner-Egelhaaf: „Man wundert sich, daß nicht von ‘Feindinnen und Feinden’ oder ‘Heidinnen und Heiden’ die Rede ist.“

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