© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Tönerne Schätze
Der Schlesische Tippelmarkt in Görlitz zieht Töpfer aus aller Welt an
Paul Leonhard

Die Kunst des Töpferns kann voller Geheimnisse sein. So wenn es beispielsweise um die Lehmglasur geht, mit der die Gefäße vor dem Brennen versehen werden. Und doch lassen sich die Meister gern über die Schultern schauen. Für Günter Meißner aus dem niederschlesischen Trebus gehört es beispielsweise zur Tradition, den Besuchern von Töpfermärkten vor Ort zu zeigen, wie aus einem Klumpen Ton ein Krug oder eine Schale entsteht.

Deswegen ist Meißner das ganze Jahr über auf Märkten anzutreffen, wo er mit der mitgebrachten Fußdrehscheibe seine handwerkliche Kunst schafft und dabei ein Liedchen singt. Von „ener Fuhre Frude“ beispielsweise oder das „Landskronlied“ über den Görlitzer Hausberg. In die Stadt an der Neiße ist Meißner, der als „singender Töpfermeister“ landauf, landab bekannt ist, verliebt. Er hat ihr daher den „Schlesischen Tippelmarkt“ geschenkt und damit eine Tradition wiederbelebt. Mit Mottos wie „Derheeme is derheeme“, „Su ne Viecherei ei der Toppferei“ oder einfach „Schlesische Guttschmecke“ wurde der Markt stets mit der besonderen Rolle von Görlitz als einziger in der Bundesrepublik verbliebenen schlesischen Stadt verbunden.

„Meisterhafte Ton-Art an der Via Regia“ heißt das Motto des Marktes in diesem Jahr, auch um die Brücke zu bauen zum mächtigen Kaisertrutz an der Kopfseite des Obermarktes, in dem sich die 3. Sächsische Landesausstellung der Geschichte der alten Handels- und Königsstraße widmet.

Zum 13. Mal ziehen am dritten Juli-Wochenende Töpfer aus allen deutschen Landen sowie dem heute polnischen Niederschlesien in die Grenzstadt, um ihre Waren einem sachkundigen und vor allem kauffreudigen Publikum anzubieten. Aber es wird nicht nur gehandelt, sondern es werden auch die Traditionen Schlesiens und der Oberlausitz in Liedern, Geschichten und Tänzen gepflegt. Das können die Zuschauer erleben, wenn der Markt vom Oberbürgermeister eröffnet wird, die Landkron-Herolde in ihren bunten Kostümen vom Untermarkt zum Obermarkt marschieren und ihre Fanfaren erklingen lassen, die Töpfermeister beim Umzug die Meisterlade und ihre jeweiligen Glanzstücke präsentieren und schließlich die Privilegierte Schützengesellschaft mit einem Böllerschuß die Wehrhaftigkeit der Stadt demonstriert.

Schlesische und oberschlesische Heimat- und Volkstanzgruppen nutzen das Wochenende, um mit ihren hellen Fahnen und Trachten einen sommerlichen Farbtupfer ins Fest einzubringen. Und was wäre ein Töpfermarkt ohne die märchenhafte Gestalt des König Drosselbart, der auch hier, hoch zu Roß, einen Marktstand zerreitet. Schließlich sollen Scherben ja Glück bringen.

„Die Atmosphäre stimmt einfach und damit auch der Umsatz“, sagt Marianne Paul, die auf dem Markt stets in die Rolle des „Tippelweibs“ schlüpft. Die Nachfrage nach einem Marktstand ist unter den Töpfern so groß, daß der Verein „Schlesischer Tippelmarkt“ jedes Jahr vor der nicht einfachen Aufgabe steht, aus der Vielzahl der eingegangenen Bewerbungen diejenigen auszusuchen, die am besten ins Ambiente auf dem Obermarkt am Rande der historischen Altstadt passen. 60 Töpfer wurden in diesem Jahr ausgewählt, darunter zwei Berufsanfänger.

Berliner sind dabei, Thüringer, Bayern, Brandenburger, vor allem aber Töpfermeister aus der Oberlausitz und Niederschlesien. Die weiteste Anreise haben der Franzose Pep Gomez aus Neuilly-en-Sancerre und der Ungar Árpád Takács aus Budapest. Und aus der alten Töpferstadt Bunzlau reist Irena Michalczuk an. Nur Günter Meißner hat jedes Jahr seinen Stand sicher, schließlich gehört er zu den Initiatoren. Ohne seine Lieder und Sprüche ist der Tippelmarkt unvorstellbar.

Und weil der „singende Töpfermeister“ beim Töpfern auch Weisheiten wie „Ja, der Quark macht stark, Butter alleene macht krumme Beene“ von sich gibt, bieten auch Gastronomen, Bäcker und Fleischer allerlei Schlesisches an.

Der 13. Schlesische Tippelmarkt findet am 16. und 17. Juli auf dem Görlitzer Obermarkt jeweils von 10 bis 18 Uhr statt. www.tippelmarkt.de

Fotos: Töpferware an einem Görlitzer Marktstand: Selbstgeformtes, gebranntes und handbemaltes Keramikgeschirr hat viele Liebhaber; Reinhard Keitel: Der Weimarer beim Wettöpfern um die Töpferkrone

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen