© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Zur Wirkungsgeschichte Stefan Georges
Meister mit eigenem Kreis
(wm)

Als Ende 2007 die Zeitschrift Castrum Peregrini nach 56 Jahren ihr Erscheinen einstellte, rühmte der George-Biograph Stefan Karlauf ihren Gründer Wolfgang Frommel als jenen Erben des Meisters, ohne den die „Welt des ‘geheimen Deutschland’“ nicht bis an die Schwelle des 21. Jahrhunderts präsent geblieben wäre. Dabei hatte Karlauf schon öfter die Pointe gezündet, ausgerechnet dieser sich wie Georges Doppelgänger gerierende homosexuelle Literat sei seinem Idol nie begegnet. Ein Kuriosum, das er nun ins Zentrum eines launigen Essays über Frommels eigenmächtige „George-Nachfolge“ stellt (Sinn und Form, 2-2011). Im Kreis der orthodoxen Georgeaner galt Frommel stets als vulgärer „Usurpator“, dem der von Karlauf erneut bestätigte Makel fehlender persönlicher Autorisation zeitlebens anhaftete. Als extrem unappetitlich empfanden sie es nach 1945, daß er sich über die Figur des „Päderasten“ Percy Gothein sogar ins Umfeld Stauffenbergs und des 20. Juli zu drängen versuchte. Trotz dieser peinlichen Selbstinszenierungen könne aber Georges Wirkungsgeschichte nicht ohne Frommel geschrieben werden. Man müsse nur akzeptieren, daß der linksliberale Theologensproß wie der Dichter als Sinnstifter in einer entleerten Welt“ agierte und insoweit dessen „legitimer Erbe“ gewesen sei – allerdings als „Meister mit eigenem Kreis“. (wm) www.sinn-und-form.de

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