© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/11 15. Juli 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die morschen Knochen zittern
Henning Hoffgaard

W enn Peter Altmaier über Europa redet, klingt er mittlerweile ziemlich konsterniert. Mit lauter Stimme wetterte der CDU-Bundestagsabgeordnete in der vergangenen Woche in der Berliner Konrad-Adenauer-Stiftung gegen all jene, die seiner Meinung nach den „Geist der Europäischen Gemeinschaft“ bedrohen. Die Wut des 53jährigen richtet sich dabei vor allem gegen die erfolgreichen rechten europakritischen Parteien, die sich mittlerweile in vielen EU-Mitgliedsländern etabliert haben. Diese seien zwar keine Gefahr für die Demokratie an sich, würden das politische System aber schon allein durch ihre bloße Existenz bedrohen. Mahnend verweist der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf das Beispiel Belgien, das seit einem Jahr keine ordentliche Regierung habe. Schuld seien seiner Ansicht nach die Nationalisten, die ihren Traum von einem eigenständigen Flandern partout nicht aufgeben wollten.

Aber auch in den Niederlanden habe die Regierungsbildung durch den Erfolg von Geert Wilders viel zu lange gedauert. Daß Wilders jetzt auch noch die Minderheitsregierung toleriert und so großen Einfluß auf die Regierungs-agenda nimmt, gefällt dem „glühenden Europäer“ Altmaier überhaupt nicht. Er murmelt etwas von „unschädlich machen“ und überläßt dann dem 31 Jahre alten Politikwissenschaftler Florian Hartleb die Bühne. Vorerst jedenfalls.

Um Hartleb und seine Studie (JF 21/11) zur Etablierung von „rechtspopulistischen Parteien in Europa“ sollte es eigentlich gehen. Die Grundaussage ist einfach: Der Rechtspopulismus dürfe weder überschätzt noch unterschätzt werden. Und damit ja niemand auf falsche Gedanken kommt, stellt Hartleb sofort klar, daß es zwischen dem Konservatismus und dem Rechtspopulismus einen gewaltigen Unterschied gebe. Im Gegensatz zum Konservatismus sei diesem ein flatterhafter Opportunismus eigen, auf den Europa erst noch eine Antwort finden müsse.

Die dürfe allerdings nicht darin bestehen, sich die Forderungen der Populisten zu eigen zu machen, wirft Altmaier ein. So etwas habe schon bei Oskar Lafontaine, der von Zuwanderern als „Fremdarbeitern“ gesprochen hatte, nicht funktioniert. Immerhin sei so der Beweis erbracht worden, daß es zwischen Rechts- und Linkspopulisten kaum einen Unterschied gebe.

Eine Frage bringt alle Anwesenden trotz Klimaanlage besonders ins Schwitzen. Wie sollen sich die Christdemokraten im allgemeinen und die CDU im besonderen gegen die erfolgreichen Rechten in Europa behaupten? In Deutschland könne man aufgrund der „historischen Entwicklung“ derzeit noch beruhigt sein. Doch auch hier dürfe man nicht untätig bleiben, mahnt Hartleb. Gerade die CDU sei gefordert, „positive Werte“ zu definieren. So habe die Union in den vergangenen Monaten einige Merkmale des Konservatismus fallengelassen. Altmaier will das nicht gelten lassen. Die CDU sei die „Partei der bürgerlichen Moderne“ und ihr Markenkern unverwüstlich. Da können sich viele im Publikum ein Lachen nicht verkneifen.

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