© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Haltungsnote
Strahlender Cellist
Christian Schwiesselmann

Geige statt Geiger-Müller-Zähler. Sonaten statt Schutzanzüge. Ein Leipziger Cellist gibt Antworten auf die Frage, wie man angemessen auf Naturkatastrophen reagiert: mit Kultur. Matthias Moosdorf und das Leipziger Streichquartett suchten bewußt die japanischen Katastrophengebiete auf, während andere Orchester aus Angst vor Strahlung ihre Japan-Tourneen absagten. Das Gründungsmitglied des inzwischen weltbekannten Ensembles berichtete im Deutschlandradio nicht nur von bis 40 Meter hohen Tsunamiwellen und ihren Vernichtungsschneisen, sondern auch von Konzerten in Schulen und Turnhallen.

Einerseits empörte den 1965 geborenen Starcellisten die Oberschülermoral deutscher Kollegen, die den Auftritt des Leipziger Quartetts mit Aussagen wie diesen kommentierten: „Lassen wir doch diese Japaner erst wieder ihre atomaren Hausaufgaben erledigen, bevor sie sich mit deutschen Spitzenorchestern schmücken können.“ Andererseits bewunderte er die Disziplin der japanischen Schüler während der musikalischen Darbietungen. Wenn man ungefähr den Geräuschpegel im Auge und Ohr habe, der in Deutschland in solchen Ansammlungen von Schülern vorhanden ist, dann wirke die Ruhe der Japaner schon fast beunruhigend.

Moosdorf, der wie seine drei Quartettkollegen an japanischen Musikhochschulen als Gastprofessor unterrichtet, verwahrte sich dabei im Interview gegen die Atomhysterie der Moderatorin Ulrike Timm. Im Unterschied zu Tschernobyl sei kein Kraftwerk hochgegangen, da sich Fukushi-ma im abgeschalteten Zustand befand, konterte er ihre Insinuation eines japanischen „Super“-GAUs. „Na ja, aber trotzdem ist die Situation natürlich unglaublich gefährlich gewesen“, schloß Timm das Gespräch kleinlaut. www.leipzigquartet.com

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