© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Blick in die Medien
DSK: Erst denken, dann schreiben
Ronald Gläser

Die afrikanische Hotelangestellte, die behauptet, von Dominique Strauss-Kahn vergewaltigt worden zu sein, steht unter Beschuß: Die Asylantin hat bei der Einwanderungsbehörde getrickst, 100.000 Dollar auf dem Konto und Kontakte zu Geldwäschern. Am Telefon prahlte sie gegenüber ihrem Mann (Drogendealer in Haft): „Der Typ hat jede Menge Kohle.“

Wenn die Anklage gegen DSK zusammenbricht, dann ist das nicht nur ein Schlag ins Gesicht der übereifrigen Staatsanwaltschaft. Auch jene Medien-Heulbojen, die stets grundlos Alarm schlagen, stehen dumm da. So hat der Spiegel die Geschichte von der Hotelbediensteten, die vom Banker mißbraucht wird, nur zu gern aufgenommen. In der vor Fehlern strotzenden Titelgeschichte „Sex & Macht“ klärte uns das Nachrichtenmagazin auf zwölf Seiten über Sex-Eskapaden von Politikern und Intimes aus dem Leben von Strauss-Kahn auf.

Alles zusammengeschludert von zwei Spiegel-Mitarbeitern – aber was zählt schon die Wahrheit, wenn es gilt, Klischees zu bedienen? Weiß gegen Schwarz, Reich gegen Arm, Mann gegen Frau, Jude gegen Muslima. So lauteten die Rahmenbedingungen dieser Geschichte um angeblich erzwungenen Oralverkehr. Das ist der Stoff, aus dem linke Märchen sind.

In seiner neuen Ausgabe rudert der Spiegel zurück. DSK sei „längst erledigt“ und „disqualifiziert für jedes denkbare Amt“, wußte das Hamburger Magazin noch im Mai. Jetzt heißt es unter der Überschrift „Wende in New York“, Strauss-Kahn könnte rehabilitiert werden.

Der Fall Strauss-Kahn zeigt, daß wir neue Maßstäbe brauchen in einer Medienwelt, in der Nachrichten immer schneller Verbreitung finden. Die Unschuldsvermutung ist kein Fossil aus dem Jurazeitalter, sondern eine Errungenschaft des modernen Rechtsstaates. Auch die Medien haben sich danach zu richten. Leider tun sie es in bestimmten Fällen immer seltener.

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