© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Elegischer Melodiker
Musik: Erinnerung an Anton Arenskij
Wiebke Dethlefs

In Westeuropa wurden viele russische Komponisten aus der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert trotz ihrer musikalischen Qualitäten nie richtig bekannt. Mag Alexander Glasunow hier noch der meistgespielte sein, so sind Namen wie Sergej Ljapunow, Anatol Ljadow und Anton Arenskij kaum einem Musikfreund geläufig. Dabei lohnt die Beschäftigung mit letzterem, der vor 150 Jahren, am 12. Juli 1861 in Nowgorod, zur Welt kam, durchaus.

Anton Arenskij studierte in Petersburg bei Rimsky-Korssakow und hatte seit 1882 selbst eine Professur am Moskauer Konservatorium inne; zu seinen Schülern gehörten auch Skrjabin und Rachmaninow. 1895 übernahm er die Leitung der Petersburger Hofsängerkapelle, quittierte aber 1901 diesen Posten, um als freischaffender Komponist, Dirigent und Klaviervirtuose tätig zu sein. Bald jedoch setzten Trunk- und Schwindsucht dem Leben des nicht einmal 45jährigen am 25. Februar 1906 ein Ende.

Arenskij schuf zwei Symphonien, drei Orchestersuiten, ein Klavier- und ein Violinkonzert, drei Opern, darunter der damals erfolgreiche „Traum an der Wolga“ (1888), eine Fülle von salonhaften Klavierliedern, die durchaus bedeutenden Suiten für zwei Klaviere und Kammermusik. Daraus ist das Klaviertrio Nr. 1 d-moll op. 32 von 1894 seine meistgespielte Komposition überhaupt. Hier zeigt sich Arenskij als großer elegischer Melodiker, vielleicht nicht durchgängig von besonderer Eigenständigkeit – Schumann ist unüberhörbar, auch erinnert der erste Satz an Tschaikowskys a-moll-Trio –, doch von bezwingender Eingängigkeit. Der zweite Satz voll gallischen Esprits könnte ebenso von Saint-Saëns stammen. Nicht von ungefähr gibt es von diesem Werk einige Aufnahmen auf dem Tonträgermarkt.

Arenskij ist in seiner Tonsprache nirgendwo ein Neuerer. Auffallend ist die verhältnismäßig geringe Verwendung von russischer Folklore, womit er sich deutlich von anderen russischen Meistern jener Zeit abhebt. Dafür übernimmt er aus der Volksmusik die Neigung zu ungewöhnlichen Metren wie 5/4 oder 7/4, wie es besonders das zweite Klaviertrio op. 73 zeigt. Musikhistorisch mag man am ehesten in ihm ein Bindeglied zwischen Tschaikowsky und Rachmaninow sehen – für seine Schüler Reinhold Glière, den exzentrischen Alexander Skrjabin und eben Rachmaninow war Arenskijs Werk Anknüpfungspunkt für ihren kompositorischen Ruhm.

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