© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/11 08. Juli 2011

Staatsbesuch von Premier Wen Jiabao in Europa
In der Chinafalle
Albrecht Rothacher

Lord Chris Patten, der letzte britische Gouverneur Hongkongs und vormalige EU-Außenkommissar schrieb schon vor Jahren, die Europäer spielten ihre guten Karten gegenüber China bemerkenswert schlecht. Nüchterne Wirtschaftsführer und hartgesottene Politiker würden bei der Aussicht auf Milliardenaufträge regelmäßig ihr Kleinhirn ausschalten. Das hat sich trotz schlechter Erfahrungen seither nicht geändert.

Schon Helmut Kohl kam aus Peking mit Verträgen zurück, nach denen die Chinesen ganz Ostchina mit Magnetschwebebahnen überziehen würden. Was in Schanghai blieb, waren Hunderte Millionen Euro deutscher Entwicklungssubventionen und die wohlfeile Übernahme der Transrapid-Technologie. Dies ist ein durchgängiges Muster vom Großflugzeugbau über Luxuslimousinen, Eisenbahnen, die Solartechnik bis hin zu Arzneimitteln und Werkzeugmaschinen. Mit dem Versprechen von Großabnahmen und Gemeinschaftsfertigungen werden Prototypen und Blaupausen geliefert, chinesische Ingenieure ausgebildet – und dann fertigt China alleine die Kopien. Und immer wieder fallen die begriffsstutzigen Langnasen erneut darauf herein.

Doch China ist mit seinem 140 Milliarden Euro hohen Handelsüberschuß viel stärker vom EU-Markt abhängig als wir vom weithin verschlossenen chinesischen. Der Überschuß Chinas wächst um 14 Millionen Euro pro Stunde und schafft dort Tausende neue Industriearbeitsplätze. Da schafft es Premier Wen Jiabao beim aktuellen Europabesuch, sich elegant jedwede Kritik vom Hals zu schaffen, indem er den ungarischen Schuldendruck mindert und für einstellige Milliardenbeträge hochrentierliche Anleihen von maroden Euro-Ländern zu kaufen verspricht. Gegen politisches Wohlverhalten der Betroffenen versteht sich. Dafür sind wir ihm alle so dankbar. Billiger ist das „divide et impera“ nirgendwo zu haben. Auch höhere Airbus-Bestellungen gibt es nur, wenn Brüssel Chinas Fluglinien vom Emissionshandel befreit.

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