© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Frisch gepresst

Hitler. Auf dem Schutzumschlag der Buchtitel „Odeonsplatz“ und darüber das bekannte Foto der jubelnden Münchner Menschenmenge zu Kriegsbeginn 1914. Mittendrin der junge Adolf Hitler. Wer bei dieser Aufmachung erwartet, hier werde im Stile Carlo Ginzburgs („Der Käse und die Würmer“) aus der Mikroanalyse einer Momentaufnahme die „verborgene Geschichte“ einer Epoche entfaltet, dürfte enttäuscht werden. Denn die Schilderung der Massenbegeisterung am 2. August 1914 in der bayrischen Metropole ist nur der Einstieg in den ersten Band einer eher konventionell-chronologischen Biographie des Führers und Reichskanzlers. Mit ihr erhebt der Publizist Werner Bräuninger, der sich bereits als Autor den oppositionellen Strömungen des Nationalsozialismus und dem Widerstand genähert hat, allerdings den verwegenen Anspruch, einen Beitrag zur „Revision akzeptierter Orthodoxien“, zur „Enttabuisierung“ des Umgangs mit einer „welthistorischen Erscheinung“ zu leisten. Ein zweiter Band („Staatsmann und Feldherr“) dieses sich bewußt „essayistisch“ gebenden, auf Anmerkungsapparat und Bibliographie verzichtenden Werkes soll bald folgen. (bä)

Werner Bräuninger: Odeonsplatz. Der Aufstieg eines Unbekannten. Universitas Verlag, Wien 2011, gebunden, 272 Seiten, 22 Euro

 

Wilde Vertreibungen. Die Herausgeber Hans Mirtes und Gerold Fritsche sind sich dessen bewußt, daß sie mit dem vorgelegten Band über die vorwiegend „wilden Vertreibungen“ aus der früheren Tschechoslowakei nach 1945 zugleich eine letzte Chance wahrnehmen, der Nachwelt acht bewegende Schicksale der „letzten Generation von Zeitzeugen“ aus Böhmen, Mähren und den Sprachinseln in der Slowakei zu erhalten. So schildert eine Überlebende des Brünner Todesmarsches ihre heimliche Rückkehr nach Brünn, um dort bis heute zu leben – als Deutsche natürlich unerkannt. Ein Karpatendeutscher aus Hopgarten wird im Januar 1945 in die Sowjet-union verschleppt und kehrt erst 1950 in seine Heimat zurück. Eine Sudetendeutsche erlebt den Pogrom eines tschechischen Mobs am 31. Juli 1945 in Aussig und wird mit ihrem Baby im Kinderwagen in die reißende Elbe gestoßen. Wie durch ein Wunder überleben beide das Massaker mit mehreren hundert deutschen Opfern. (bä)

Hans Mirtes, Gerold Fritsche (Hrsg.):    65 Jahre. Zivildeportation und wilde Vertreibung der Deutschen aus der CSR 1945. AGSLE-Verlag, Frontenhausen 2011, broschiert, 178 Seiten, 15 Euro

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