© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Mit größter Sorge
Dokumentation: Berliner Erklärung der Familienunternehmen zur Krise des Euro
(JF)

Die Bundesregierung hat mit ihrer Euro-Rettungsschirm-Politik einen verhängnisvollen Weg eingeschlagen. Die Politik trägt die Verantwortung, daß die mit Einführung des Euros beschlossene Obergrenze für die Staatsschulden nicht eingehalten wurde. Sie hat im vergangenen Jahr mit dem Grundsatz gebrochen, daß kein Land für die Schulden eines anderen Eurolandes einzustehen hat. Und sie hat schließlich mit ihrer Politik entscheidend dazu beigetragen, daß die Europäische Zentralbank ihre Unabhängigkeit verloren hat.

Die Risiken, die auf den Haushalt Deutschlands zukommen, sind damit unabsehbar geworden. Der Bundestag muß daher handeln. Dazu fordern die Familienunternehmen ihn jetzt eindringlich auf. Die Währungsunion muß auf eine neue Grundlage gestellt werden. Austritt und Ausschluß müssen möglich werden. Die nationalen Parlamente müssen in Fragen der Euro-Politik ihre Befugnisse in stärkerem Umfang als bisher ausschöpfen.

Die Familienunternehmen, die sich dieser Erklärung angeschlossenen haben, beobachten die Vorgänge im Euro-Raum mit größter Sorge. Ihr Denken und Handeln wird vom Leitmotiv der persönlichen Haftung bestimmt; Solidität, Stabilität und Nachhaltigkeit sind oberstes Gebot. Das hat sie zum tragenden Fundament der deutschen Wirtschaft gemacht. Die deutschen Familienunternehmen wissen, welch überragende Rolle dabei solide Staatsfinanzen und eine stabile Währung spielen.

Die auf Stabilität gerichteten Regeln des Vertrages von Maastricht und die darin vorgesehenen disziplinierenden Maßnahmen haben sich als unzureichend erwiesen. Nur noch eine Minderheit der Euro-Länder hält die erlaubte Obergrenze bei der Neuverschuldung ein. Auch die im Vertrag von Lissabon festgelegte „Bail-out-Klausel“, die es verbietet zur Lösung der Zahlungsprobleme eines Landes das Geld der Steuerzahler eines anderen Landes heranzuziehen, wurde mit der Rettungsaktion für Griechenland im Ergebnis über Bord geworfen.

Die Währungsunion ist seither eine Transferunion. Mit weiteren, großzügig hochdotierten Rettungsschirmen für Irland und Portugal haben sich die Risiken nochmals drastisch erhöht und können weiter steigen. Die Sorge, daß durch die auferlegten Sparmaßnahmen die Konjunktur eher behindert als befördert wird, ist berechtigt. Weil Sparen vor allem die schwächsten Bevölkerungsschichten trifft und Investitions- sowie Konsumneigung, Beschäftigung und damit auch mögliches Wachstum eher behindert, steigen die sozialen Spannungen in den betroffenen Ländern. Die jüngsten Unruhen zeugen davon.

Die Bundesrepublik trägt schon derzeit die weitaus größte Last der Euro-Krise. Aus dem Griechenland-Kreditpaket und der Garantie Deutschlands für die EFSF ergibt sich eine Gesamtsumme in Höhe von 141,4 Milliarden Euro.

Wird der dauerhafte Euro-Rettungsschirm (ESM) implementiert, dann werden Deutschlands Garantien für die Euro-Rettung nach jetzigem Stand der Verhandlungen auf 190 Milliarden Euro ansteigen. Damit nimmt die Bundesrepublik Eventualverbindlichkeiten in Kauf, die gut einem Drittel aller jährlichen Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden entsprechen.

Hinzu kommt, daß die Europäische Zentralbank ihre Unabhängigkeit aufgegeben hat. Auf Drängen der Politik finanziert sie nun in bisher nicht gekanntem Ausmaß Staatsschulden. Sie muß zudem für die Milliardenverluste der von ihr abhängigen einzelnen Notenbanken geradestehen.

Damit wurden alle Versprechen, die uns die Politik vor Eintritt in die Währungsunion gemacht hatte, gebrochen:

daß die Einführung des Euro einen Stabilitäts- und Wachstumspakt darstellt,

daß kein Land für die Schulden eines anderen Landes einzustehen hat, und schließlich

daß die Europäische Zentralbank allein der Stabilität verpflichtet ist.

Daher ist jetzt die Stunde des Parlaments gekommen. Die Familienunternehmen, die sich dieser Erklärung angeschlossen haben, fordern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, der verantwortungslosen Schulden-Politik Deutschlands ein Ende zu setzen. Selbst der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft hat diese Politik der Rettungsschirme scharf kritisiert und die zur Begründung angeführte „Alternativlosigkeit“ zurückgewiesen.

Diese Berliner Erklärung wurde im Kontext der sogenannten Welt-Währungskonferenz verfaßt, die die Stiftung Familienunternehmen gemeinsam mit der „Welt“-Gruppe am 27. Juni 2011 in Berlin ausgerichtet hat. Kontakt: Stiftung Familienunternehmen, Prinzregentenstraße 50, 80538 München, Telefon: 089 / 12 76 400 03

 www.familienunternehmen.de

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