© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Finanzminister Schäuble will griechischen Solarstrom kaufen
Sonnenstich
Michael Manns

Für Platon hatten Licht und Sonne geradezu göttlichen Charakter. Deutlich banaler geht dagegen Wolfgang Schäuble heute zu Werke, wenn er sich mit der griechischen Sonne beschäftigt. Der Minister hat Angst vor der finanziellen Nacht, vor der Hellas steht. Aber, so philosophiert er, Griechenland werde doch von der Sonne verwöhnt. Das könne zur Produktion von Solarenergie für Deutschland genutzt werden.

Doch bevor an der Akropolis und am Olymp die Module angeschraubt werden, muß tatsächlich wohl einiges geklärt werden. Die Solarindustrie (es soll ja gleich eine Wachstumsbranche werden, um dem Pleitestaat wieder auf die Beine zu helfen) muß erst mal aufgebaut werden. Das geht nicht zum Nulltarif. Und Sonnenanbeter Schäuble weiß, daß Griechenland arm wie eine Tempelmaus ist. Wer soll diese Investitionen also stemmen? Man ahnt es: Deutschland. Und wer wird die fetten Bauaufträge bekommen? Wahrscheinlich andere Länder. Sollte die Solarindustrie irgendwann produzieren, muß die Energie transportiert werden. Deutschland liegt nicht um die Ecke: Athen–Berlin runde 2.300 Kilometer. Ein paar Länder und Gebirge liegen auch dazwischen. Und Strom läßt sich überdies nicht in leeren Metaxa-Flaschen von A nach B karren. Hochleistungsnetze und Stromspeicher braucht man. Wer bezahlt das? Antwort: siehe oben.

Athen wird dann seine Energie nicht für Gottes Lohn bis zur deutschen Steckdose fließen lassen. Der deutsche Stromkunde wird dafür blechen – und nicht zu knapp. Und dann hat Deutschland ja noch die künstlich florierende heimische Solarenergieerzeugung, die seit Jahren durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit Milliardentransfers gepäppelt wird. Was wird aus der? Wird die genauso überflüssig wie die Atomenergiebranche?

Platon und die Sonne: Sie repräsentierte für ihn das Gute, das Wahre, die absolute Erkenntnis. Mehr Platonismus wünscht man den Eurofetischisten – und weniger Sonnenstiche.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen