© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/11 01. Juli 2011

Internationaler Haftbefehl gegen Gaddafi
Wahrheit im Krieg
Billy Six

Berichte über die Opferzahlen jener Massaker, die nun zum internationalen Haftbefehl gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi geführt haben, sollten mit etwas mehr Vorsicht genossen werden (siehe Seite 17). Denn wie heißt es im Koran: „Wer ein menschliches Wesen tötet (...) so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte.“ Aufgabe des kritischen Journalismus wäre es eigentlich, Augenzeugenberichte zu hinterfragen. Wer Erfahrungen in anderen Ländern Afrikas oder Arabiens sammeln konnte, der weiß, daß man es dort mit detaillierten Abläufen und Zahlen nicht so genau nimmt; schon gar nicht in einer für ein jahrzehntelang abgekapseltes Volk vollkommen neuartigen, unerwarteten und höchst emotionalen Situation.

Die eklatanten Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit haben nichts mit bewußter Manipulation zu tun, wie Verschwörungstheoretiker meinen. Vielmehr war das abgeschottete Libyen für alle westlichen Medien ein weitgehend unbekanntes Pflaster. Über die Schlagzeilen von gestern haben sich aber bislang in Deutschland nur kritische Nutzer des Internets ihre Gedanken gemacht. Die meisten Medienvertreter in Bengasi halten sich dagegen am liebsten in den beiden geräumigen Hotels auf. „Sie lassen sich die neuesten Meldungen von uns am liebsten zutragen“, meinte dazu ein libyscher Rebellenkommandeur schmunzelnd.

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