© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/11 24. Juni 2011

Klimaschutz aus Eigennutz
Die Treibhauslobby
Horst-Joachim Lüdecke

Als einzige große Industrienation verzichtet Deutschland auf die Kernkraft und erklärt dafür die erneuerbaren Energien zu den „Silberkugeln“ seiner zukünftigen elektrischen Stromerzeugung. Keine Stimme des Auslands schickt Glückwünsche. Die englische Tageszeitung Daily Telegraph kommentiert den Ausstiegsbeschluß: „Frau Merkels Beschwichtigung der nuklearen Hysterie ist weit über die deutschen Grenzen hinaus verstörend, weil sie die Kapitulation einer ehemals in Wissenschaft und Technik führenden Nation gegenüber einem ideologischen Irrationalismus aufzeigt“ (31. März 2011).

Die Entscheidung gegen die Kernenergie ist indes nur vorläufiger Endpunkt einer konsequenten Entwicklung. Diese begann mit „Klimaschutz“, schädigte danach Landschaften, Meer, Vogel- und Fledermauspopulationen mit unzähligen Windrad-Ungetümen und wird schließlich unsere elektrische Stromversorgung und Volkswirtschaft nachhaltig beeinträchtigen. Der Schutz des „globalen Klimas“ sei der globalen Erwärmung wegen unabdingbar. Schon in Stadtblättern finden sich Artikel wie „Online mit dem CO2-Spiegel die eigene Bilanz berechnen“. Dabei gibt es gar kein „globales Klima“, sondern nur Klimazonen – von tropisch bis polar. Jedes Klima war und ist immer in Veränderung begriffen. Konstantes Klima ist unmöglich und der Begriff „Klimaschutz“ daher sinnlos.

Der aktuelle Klimawandel hierzulande ist moderat. In früheren Zeiten hat es ungleich heftigere Veränderungen gegeben, so etwa zum Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Wir fürchten uns heute vor einer Temperaturerhöhung um wenige Zehntel Grad Celsius in hundert Jahren und übersehen, daß unsere Vorfahren in der Weichsel-Kaltzeit Klimasprünge von mehreren Grad während ihrer Lebenszeit erleiden mußten – ganz ohne anthropogenes CO2. Gletscherforscher bezeugen höhere Temperaturen als heute über zwei Drittel der letzten zehntausend Jahre. Die Alpengletscher waren in längeren Warmperioden so gut wie verschwunden. Nur deswegen konnte Hannibal mit Elefanten über die Alpen ziehen. In heißen mittelalterlichen Sommern trockneten Flüsse aus. Die Fundamente der berühmten Regensburger Steinbrücke wurden in der trockenen Donau gebaut, und die Kölner überquerten damals den Rhein zu Fuß. Man stelle sich die Medienmeldungen über eine „Klimakatastrophe“ vor, wenn sich solche natürlichen Ereignisse heute wiederholten.

Bis zu 250 Jahre lange Thermometer-Reihen und insbesondere 2.000 Jahre lange Temperaturreihen, rekonstruiert aus Baumringen und Stalagmiten, zeigen Extreme, die die Variationen des 20. Jahrhunderts übertreffen. Es gibt keine Korrelation zwischen den irregulären Temperaturverläufen und dem vom Menschen verursachten ansteigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre. Ohne CO2 als lebenswichtigem Bestandteil der Photosynthese gäbe es weder Pflanze noch Mensch. Mehr CO2 verbessert die Ernteerträge. Wir sollten daher die CO2-Zunahme begrüßen und den kostspielig-unsinnigen Zertifikatehandel beenden. Die USA haben letzteres bereits getan.

Weltweit finden Wetterdienste keine Trends zu mehr Stürmen, Tornados, Dürren oder Überschwemmungen. Sogar der Weltklimarat (IPCC) schreibt in seinem 3. Sachstandsbericht von 2001: „Es gibt keine Anzeichen von langfristigen Extremwetterzunahmen.“ Das Eis der Arktis unterliegt natürlichen langfristigen Schwankungen. So wurde die Nordostpassage bereits 1878 durch Adolf Erik Nordenskiöld befahren. Ähnlich wenig Eis wie heute gab es schon einmal in den sehr warmen 1930er Jahren. In jeder kühleren Phase kehrt es wieder zurück. Der Meeresspiegel steigt seit 10.000 Jahren, aber ein durch anthropogenes CO2 bedingter oder gar beschleunigter Meeresspiegelanstieg ist bis heute weder mit Pegeldaten noch mit Satellitenmessungen belegbar.

Nur mit Computer-Modellen, die nicht einmal die großen dekadalen Oszillationen oder den El Niño vorhersagen können, lassen sich Klimakatastrophen konstruieren. Insbesondere der „Hot Spot“, eine von den Modellen unabdingbar geforderte Erwärmung der hohen Atmosphäre, ist nicht auffindbar. Daher sind die IPCC-Modelle falsch.

Unbestritten wirkt das vom industrialisierten Menschen in die Atmosphäre gebrachte CO2 erwärmend. Global sind es zirka ein Grad Celsius mehr, wenn sich – rein hypothetisch – der CO2-Gehalt der Luft verdoppelt. Aber selbst zu dieser unbedenklichen und vorteilhaften Erwärmung kann es nicht kommen, denn dazu müßten alle förderbaren fossilen Brennstoffe verfeuert werden. Wir leben übrigens immer noch in der Zwischenwarmzeit eines Eiszeitalters. Die Wissenschaft definiert als Eiszeitalter, wenn beide Erdpole gleichzeitig vereist sind. Unsere Warmzeit kann schneller beendet sein, als es uns lieb ist.

Die Klimaforscher seien sich einig, sagen Politik und Medien. Das Gegenteil trifft zu. Die Gegenstimmen von unzähligen hochrangigen Klimaforschern in Petitionen und Manifesten sowie in schon über 900 gegen die IPCC-Aussagen gerichteten Peer-Review-Fachveröffentlichungen werden der Öffentlichkeit vorenthalten, ebenso wie wissenschaftliche Auseinandersetzungen zwischen Alarmisten und Skeptikern. Völlig aus der Luft gegriffen sind die CO2-Emissionseinsparungen um 14 Prozent gegenüber dem Jahre 2005, zu denen sich Deutschland bis 2020 verpflichtet hat. Sogar extreme IPCC-Projektionen unterstellt, kann Deutschland damit nur eine Reduzierung der mittleren Globaltemperatur von unmeßbaren 0,0007 Grad Celsius erzielen (FAZ vom 9. Januar 2009) – bei volkswirtschaftlichen Kosten von mehreren 100 Milliarden Euro.

Photovoltaik und Windräder sollen in Deutschland langfristig 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs abdecken – schlichtweg eine technische Unmöglichkeit. Wind- und Sonnenstrom ist für Nischenanwendungen, meist von Entwicklungsländern, jedoch keineswegs in größerem Umfang für ein modernes Industrieland geeignet, denn sie haben zwei unabdingbare Nachteile: die Unstetigkeit der Energielieferung und die zu geringe Energiedichte von Wind und Sonne. So kann man sich zwar gefahrlos der Sonne aussetzen und auch noch in einem stärkeren Wind stehen, steckt aber seine Hand nicht in einen Brennkessel und steigt nicht in einen reißenden Gebirgsfluß.

Eine zu kleine Energiedichte bedingt einen unwirtschaftlich hohen Aufwand bei der Erzeugung von elektrischer Energie, daher rührt der Zwang zu überdimensionalen Propellern, um dem Wind brauchbare Energiemengen zu entziehen. Wirtschaftlich noch ungünstiger ist die Photovoltaik. Rechnerisch sind viele Hunderte Kilometer von Windrädern hintereinander zu installieren, will man ein einziges Kernkraftwerk ersetzen. Es ist wie mit den Kirschenpreisen: Wind-, Sonnenenergie und Kirschen sind teuer, weil sie nur mit großem Aufwand „gepflückt“ werden können. Der Unterschied zwischen Photovoltaik und Solarpanelen zur Warmwasserbereitung ist allerdings zu beachten. Letztere sind für sommerliche Anwendungen sinnvoll, denn hier sind hohe Energiedichten nicht nötig.

Der entscheidende Nachteil ist aber die Unstetigkeit von Wind und Sonne, denn elektrischen Strom kann man nur mit extrem kostspieligem Aufwand speichern. Daher muß – der Öffentlichkeit kaum bekannt – zu jedem Windrad und jeder Solaranlage ein schnell reagierendes Gaskraftwerk bereitstehen, das bei Wind- oder Sonnenflaute einspringt. Trotz der inzwischen hohen installierten Nennleistung von Windturbinen und Photozellen kann auf klassische Kraftwerke nicht verzichtet werden. Für die extrem teuren Speicherpumpwerke als einzigen realistischen Maßnahmen zur Abpufferung des unstetigen Energieangebots fehlen in Deutschland die topographischen Voraussetzungen.

Die Bundesregierung hält Kernenergie für ethisch nicht mehr vertretbar. In der von der Bundesregierung berufenen 14köpfigen Kommission zur Energiewende befanden sich drei Kirchen-vertreter, aber kein einziger Energieexperte – ein Rückfall in Zeiten vor der Aufklärung. Eine rein wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Entscheidung wird damit sachfremd getroffen. Jede Form der Energieerzeugung ist mit Schäden verbunden, etwa den vielen Opfern des Kohleabbaus. Bei ideologiefreier Risikobewertung sind deutsche Kernkraftwerke sicher.

Daran ändern auch die Havarien von Tschernobyl, Harrisburg und Fukushima nichts, bei denen hierzulande undenkbare Verletzungen von Sicherheitsregeln Ursache waren. Der weltweite Siegeszug der Kernenergie ist ohnehin unaufhaltsam. Anders kann der Energiehunger der wachsenden Weltbevölkerung nicht gestillt werden. Ein nuklearfreies Deutschland wird maßgebende Nachteile im globalen Wettbewerb erleiden und Arbeitsplätze einbüßen.

Vollends unverständlich ist das Ignorieren der Entwicklung von inhärent sicheren Typen der nächsten Generationen von Kernkraftwerken. Auch das Transmutationsverfahren zur Verringerung des nuklearen Abfalls, bei dem die langen Abklingzeiten durch Bestrahlung verkürzt werden, ist Medien und Politik keiner Erwähnung wert. Die EU finanziert diese Entwicklung von bereits Pilotreife mit mehr als einer Milliarde Euro. Trotz Abstinenz darf sich Deutschland nicht der Kernforschung und Weiterentwicklung der Kraftwerks­technik verschließen. Da der deutsche Aderlaß an Kernenergie nur mit Gas und Kohle kompensiert werden kann, ist die Rückkehr zur Kernkraft spätestens dann geboten, wenn inhärent sichere Kernkraftwerke zur Verfügung stehen.

Die Profiteure der Energiewende und des Klima-Alarmismus haben Konjunktur, nur nicht der Verbraucher, der die Zeche zahlt. Dabei vertreten Windrad- und Solarplattenhersteller – vom allgemeinen Maschinenbau bis hin zum Handwerker, der Solarplatten aufs Dach schraubt – nachvollziehbare Interessen. Das vordergründig korrekte Argument neuer Arbeitsplätze übersieht die weit höheren Verluste an Arbeitsplätzen durch Kaufkraftschwund infolge steigender Energiepreise. Noch nie hat eine moderne Industrienation unwirtschaftliche Verfahren günstigeren zur Verfügung stehenden Methoden vorgezogen und daraus Vorteile erlangt. Starken Lobbydruck zeigen die kostspieligen Beilagen vieler Zeitungen, die unablässig um Investoren in erneuerbare Energien werben. Rückversicherungen und Investment-Banken, die sogar eigene Klimaabteilungen betreiben, sind Hauptprofiteure.

Klimaschutz und erneuerbare Energien sind Umverteilung von unten nach oben. Den wirtschaftlich Schwachen aufgezwungene überhöhte Energiepreise wandern in die Taschen der Profiteure. Gesetzlich verankert, versteht sich. Der volkswirtschaftlich und sozial verheerende Spuk von Subventionen für erneuerbare Energien ist daher unverzüglich zu beenden, und es müssen wieder freie Marktgesetze herrschen, denen sich alle Stromerzeugungssysteme zu stellen haben.

 

Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke, Jahrgang 1943, Diplom-Physiker, lehrte bis 2008 Informatik und Physik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Der Fachbuchautor ist Sprecher des Europäischen Instituts für Klima und Energie.

Horst-Joachim Lüdecke: CO2 und Klimaschutz. Fakten, Irrtümer und Politik (ClimateGate), 3. aktualisierte Auflage, Bouvier, Bonn 2010. Der Autor stellt das zentrale Dogma der Klimaschützer in Frage: den anthropogen bedingten Klimawandel.

Foto: Pinguine unter Palmen: Das Klima ändert sich ständig – statt anthropogen bedingter CO2-Emis-sionen könnten die Aktivitäten der Sonne dabei eine größere Rolle spielen

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