© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/11 24. Juni 2011

Lockerungsübungen
Respekt vor dem Parlament
Karl Heinzen

Nur zu oft wird übersehen, daß die Bundeswehr in Libyen bereits zum Einsatz gekommen ist. Zwischen dem 21. Februar und dem 3. März flog sie im Rahmen der Operation „Pegasus“ unter der Mitwirkung von knapp 1.000 Soldaten 262 Personen, unter ihnen 125 Deutsche, aus dem Krisengebiet aus. Da es sich bei diesem Einsatz nach Auffassung der Bundesregierung um eine rein humanitäre Mission handelte, holte sie nicht die Zustimmung des Bundestages ein. Die Grünen kritisieren dieses Vorgehen als rechtswidrig. „Pegasus“ müsse durchaus als ein bewaffneter Einsatz begriffen werden, in dem die Soldaten in Kampfhandlungen hätten verwickelt werden können. Daher wäre es erforderlich gewesen, zuvor um ein Mandat des Parlaments zu ersuchen. Voraussichtlich wird nun das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort zu sprechen haben.

In ihrer Beurteilung der Pegasus-Operation geben die Grünen einen Realismus zu erkennen, der eigentlich von der Bundesregierung zu verlangen wäre. Die aktuelle jedoch ist nicht einmal in der Lage, im Geiste ihrer eigenen sicherheitspolitischen Grundlagendokumente zu handeln. Diese sprechen allesamt davon, daß in einer globalisierten und vernetzten Welt in Einsätzen militärische und nichtmilitärische Mittel stets in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Auch in einer scheinbar dezidiert humanitären Mission wie etwa einer Erdbebenhilfe kann Gewaltanwendung unerläßlich sein, etwa zur Unterbindung von Plünderungen.

Die Bundeswehr wird als eine Parlamentsarmee verstanden. Es spricht für das Rechtsempfinden der Grünen, daß sie hartnäckig auf diesem Grundsatz beharren. Nach dem Wegfall der Wehrpflicht ist er ein letzter Damm, um zu verhindern, daß die Bundeswehr ein Staat im Staate wird. Aus Respekt vor dem Parlament und Verantwortung für die Integrität der Streitkräfte wäre es daher angebracht gewesen, für die Pegasus-Operation ein Mandat des Bundestages zu beantragen. Dieser hätte ihre Ziele bewertet, Risiken abgewogen und den Handlungsrahmen für die Soldaten abgesteckt. Natürlich wäre er auch der Frage nachgegangen, ob die betroffenen Zivilisten in Libyen einer Evakuierung überhaupt bedurften, und hätte notfalls einige von ihnen zur Anhörung nach Berlin eingeflogen. Allerdings wäre auch dafür eine Mandatierung erforderlich gewesen.

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