© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/11 24. Juni 2011

Der Vertrauensverlust des Euro
Geldmarkt: Flucht in Schweizer Franken und Rohstoffe / Turbulenzen beim Euro-Dollar-Kurs
Bernd-Thomas Ramb

Der Euro steigt! Diese Schlagzeile findet sich stets wieder, wenn nach der Ankündigung einer neuen Rettungsaktion für die zahlungsunfähigen Euro-Länder der Wechselkurs zu US-Dollar wieder um einige Cent nach oben wandert. Zerschlagen sich die Aussichten auf eine erfolgreiche Rettung, knickt der Kurs sofort wieder ein. Das Verhältnis des Euro zum Dollar ist jedoch nur eine Facette des Wertes, der dem Euro auf internationaler Ebene zugesprochen wird. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind zwar ein wichtiger Handelspartner der Euro-Länder, aber nicht der einzige.

Handelsbeziehungen bestehen auch mit europäischen Nicht-Euro-Ländern wie Großbritannien und der Schweiz oder mit osteuropäischen Staaten, von denen die meisten keinen Beitritt zum Euro-Verbund anstreben. Ungarn hat den Forint sogar in seiner neuen Verfassung als Landeswährung ausdrücklich festgeschrieben. Bedeutsame Handelspartner finden sich auch im asiatischen Raum und in Südamerika. Zudem prägen neben dem Tauschverhältnis der unterschiedlichen Währungen auch die in Euro erfaßten Preise der weltweit gehandelten Hauptrohstoffe den Tauschwert der europäischen Einheitswährung. Sie spiegeln den Realwert der Euro-Währung wider. Das Ausmaß der Wertschätzung des Euro kann daher nur in einer Gesamtbetrachtung beurteilt werden. Da aber haben sich seit der Einführung des Euro, insbesondere in den letzten Monaten, gravierende Veränderungen ergeben.

Die Entwicklung des Euro-Wechselkurses zum Dollar ist dabei eine besondere. Bei der Einführung des Euro mußten die Amerikaner lediglich 85 US-Cent für einen Euro hergeben. Doch das Tauschverhältnis stieg bis zur großen Finanzkrise 2008 nahezu kontinuierlich auf 1,60 Dollar an. Der Wert des Euro hatte sich damit gegenüber dem Dollar verdoppelt. Zwischendurch, in den Jahren 2004 und 2005, war allerdings ein Einbruch zu verzeichnen: Der Eurokurs brach um mehr als zehn Prozent ein; möglicherweise infolge der ersten Preisgabe der Eurostabilitätskriterien. Damals beschlossen die Euro-Länder, auf Sanktionen zu verzichten, wenn Teilnehmerstaaten – allen voran Deutschland und Frankreich – anhaltend das Maastricht-Defizitkriterium verletzten, weil ihre Neuverschuldung die Drei-Prozent-Marke überschritt.

Der Euro-Dollar-Wechselkurs bewegt sich ab 2008 in einem wilden Auf und Ab. Mit hektischen Ausschlägen pendelt er zwischen 1,20 und 1,60 Dollar je Euro. Die Ursachen dürften in dem wechselnden Ausmaß ihrer jeweiligen Schwäche liegen. Hinter beiden Währungen stehen Staaten oder Staatengemeinschaften, die sich in der Geschwindigkeit der Neuverschuldung wechselseitig übertreffen. Die momentane Stärke der einen Währung resultiert dann aus einer vorübergehend geringeren Geschwindigkeit des Währungszerfalls der anderen.

Der Präsidentschaftsbewerber der US-Republikaner, Ron Paul, brachte das Ergebnis der lockeren Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve in einem Satz auf den Punkt: „Seit der Schaffung der Fed im Jahr 1913 hat der Dollar mehr als 96 Prozent seines Wertes verloren.“ Die hohe Volatilität des Wechselkurses Euro-Dollar stellt das eigentliche Problem dar. Ob der Euro 1,20 oder 1,60 Dollar kostet, spielt bei den Kaufentscheidungen der Amerikaner oder den Verkaufsangeboten der europäischen Anbietern nicht die Hauptrolle. Wichtiger sind die Planungszeiten. Konstante Wechselkurse schaffen größere Kalkulationssicherheit. Gerade dies wurde bei der Einführung des Euro versprochen: mit dem größeren Währungsgebiet stabilere Wechselkurse zu gewährleisten.

Der wahre Wert des Euro zeigt sich deshalb nicht in seinem Verhältnis zum Dollar, sondern in seinem Wechselkurs zu der Währung eines stabilen Landes wie beispielsweise der Schweiz. Anfangs war der Euro-Kurs zum Schweizer Franken recht stabil. Bis 2008 entwickelte sich sogar ein leichter Anstieg von 1,55 auf 1,65 Schweizer Franken. Danach aber ging es rapide bergab. Seit Ende 2009, dem Zeitpunkt, an dem sich die Zahlungsunfähigkeit der Euro-Länder Griechenland, Irland und Portugal abzeichnete, befindet sich der Euro-Kurs zum Schweizer Franken im freien Fall: Von 1,53 auf 1,20 Schweizer Franken pro Euro. Ähnlich ausgeprägt war der Kurseinbruch zur Währung Japans. Von einst 170 Yen für einen Euro fiel der Kurs im August 2010 auf nur noch 105 Yen. Nach der Fukushima-Katastrophe stieg der Kurs kurzzeitig auf 122 Yen, inzwischen sind es nur noch 114 Yen. Kurseinbrüche gab es auch zur Schwedischen und Norwegischen Krone und selbst zum Forint, der Währung des hochverschuldeten EU-Landes Ungarn.

Der Wertverlust des Euro, der spätestens seit dem Ausbruch der Schuldenkrise einsetzte, beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Kursverfall zu den Währungen stabiler Staaten. Er zeigt sich auch in dem Anstieg der Preise von alternativen Geldanlagen wie Gold, Edelmetallen und Rohstoffen. Der Goldpreis ist seit dem Ausbruch der Schuldenkrise von unter 700 auf über 1.000 Euro je Feinunze Gold gestiegen (JF 12/11), der Silberpreis hat sich mehr als verdoppelt (JF 19/11), und Platin wurde um die Hälfte teurer. Seitdem der Euro wackelt, haben sich auch die Rohstoffpreise kräftig nach oben entwickelt (JF 24/11). Rohöl kostet anderthalbmal soviel wie vorher, ebenso Aluminium. Der Kupferpreis hat sich seit 2009 sogar verdreifacht – für Kunden, die mit Franken, Krone oder Yen zahlen, waren die Preisaufschläge hingegen weit geringer.

Die Welt hat das Vertrauen in den Euro verloren und favorisiert – angesichts der sich überschlagenden Meldungen bezüglich Griechenland & Co. – andere Währungen, vor allem aber den Ersatz von Geld- durch Sachanlagen.

Foto: Die Schweiz ist ein teures Urlaubsparadies geworden: Das Verhältnis des Euro zum Dollar ist nur eine Facette des Außenwertes

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