© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/11 24. Juni 2011

Bühne frei für Michele Bachmann
USA: Die Republikanerin fordert Präsident Obama heraus / Konservativ, christlich und kämpferisch
Elliot Neaman

Je näher die US-Präsidentschaftswahlen von 2012 rücken, desto klarer geraten die Kandidaten in den Blick, die die Republikanische Partei aufzubieten hat. Die Favoriten heißen Mitt Romney und Tim Pawlenty: zwei fähige Männer mit einem hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad – und der Ausstrahlung eines Brotlaibs, der im Ofen vor sich hin bäckt.

Newt Gingrich, der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses, ein unangenehmer Wichtigtuer, der sich für einen „tiefsinnigen Denker“ hält, hält die Medien mit seinen selbstzerstörerischen Aktionen in Atem; zwei Dutzend seiner engsten Mitarbeiter kündigten, nachdem er auf Drängen seiner dritten Frau – mit der der Verfechter traditioneller Werte seine im Sterben liegende Ehefrau Nummer zwei betrogen hatte – zu einer Vergnügungstour um die griechischen Inseln aufgebrochen war. Sarah Palin tourt im Reisebus durchs Land, einen Troß von Reportern auf den Fersen. Der texanische Gouverneur Rick Perry gefällt sich in der Rolle eines politischen Hamlet mit seinen Selbstzweifeln und seiner Unentschlossenheit, ob er nun kandidieren soll oder nicht.

Dank des Aufsehens, das die Tea Party in letzter Zeit erregte, richten sich nun viele Hoffnungen auf Ron Paul, den überzeugten Libertären aus Texas. Der aber tut sich keinen Gefallen mit seiner Vorliebe für entschiedene Meinungsäußerungen. Ein Politiker, der keine Gelegenheit ausläßt, sich für die Legalisierung von Drogen und Prostitution auszusprechen, kann kaum mit Unterstützung aus konservativen Kreisen rechnen. Und im gegenwärtigen Klima öffentlich zu verkünden, die Jagd auf Osama bin Laden sei ein Fehler gewesen, kommt schon einem politischen Selbstmordversuch gleich. Trotz alledem bleibt Pauls fanatische Anhängerschaft ihm weiterhin treu, und es ist nicht auszuschließen, daß er auf dem republikanischen Parteitag in Tampa Bay im August nächsten Jahres den Königsmacher spielen kann.

Damit ist die Bühne frei für Michele Bachmann, die Kongreßabgeordnete aus Minnesota, die es mehr als jeder andere gewählte Amtsträger außer Ron Paul verstanden hat, der amorphen Tea-Party-Bewegung ihren persönlichen Stempel aufzuprägen. Momentan schließen die politischen Beobachter noch Wetten ab, ob Palin und Bachmann sich im Kampf um die Spitzenposition gegenseitig die Augen auskratzen werden – der eigentliche Showdown um die Stimmen des rechten Parteiflügels aber wird zwischen Paul und Bachmann stattfinden. Daß sie laut Umfrageergebnissen derzeit nur vier Prozent derjenigen, die wahrscheinlich zur Wahl gehen werden, auf ihrer Seite hat, will nicht viel heißen. Palin liegt mit fünf Prozent nur knapp vor ihr. Und das Rennen hat gerade erst begonnen.

Im Gegensatz zu Palin kann Bachmann kaum nachgesagt werden, sie sei den Anforderungen des Präsidentenamts intellektuell nicht gewachsen. Sie ist ungemein belesen und kann es in Debatten mit jedem aufnehmen. Wie sie dem Wall Street Journal anvertraute, packt sie Ludwig von Mises’ Bücher als Strandlektüre ein. Und ihre eloquenten Äußerungen gegen die staatlichen Rettungsmaßnahmen für Banken und Automobilhersteller lassen darauf schließen, daß sie nicht nur die Stichworte nachplappert, die ihr ein politischer Berater auf den Spickzettel geschrieben hat.

Anders als Palin hat sie einige beeindruckende politische Erfolge vorzuweisen. Ihren Sitz im Unterausschuß für Internationale Währungspolitik und Handel wußte sie zu nutzen, um sich mit offener Kritik an Präsident Obamas Reformen im Gesundheits- und Finanzwesen zu profilieren. Mit Beginn ihrer dritten Amtsperiode im nunmehr mehrheitlich republikanischen Kongreß konnte Bachmann zudem einen der begehrten Sitze im Geheimdienstausschuß erringen, so daß sie nun zu Recht von sich behaupten kann, außenpolitische Erfahrung zu haben.

Daß sich Bachmann Ed Rollins als Wahlkampfleiter ins Boot holte, kommt praktisch einer Ankündigung ihrer Kandidatur gleich. Rollins ist ein mit allen Wassern gewaschener Profi. Seit er 1984 als Wahlkampfleiter für den Reagan/Bush-Sieg verantwortlich zeichnete, ist er ein gefragter politischer Berater, der unter anderem 1992 Ross Perot zu seinem Überraschungserfolg als unabhängiger Kandidat verhalf und damit wohl die konservative Wählerschaft spaltete und Bill Clinton die Präsidentschaft sicherte.

Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit bei ebenjener konservativen Wählerschaft hat Bachmann einen klaren Vorteil gegenüber Ron Paul. Schon in den siebziger Jahren schloß sie sich Francis Schaeffers Lebensrechtlerbewegung an, die überall in den USA Proteste und Gebetswachen vor Abtreibungskliniken abhielt. Ihr Privatleben ist aus christlich-konservativer Sicht vorbildlich. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie ein christliches Beratungszentrum in Stillwater/Minnesota. Marcus und Michele Bachmann haben im Laufe der Jahre neben den fünf eigenen 23 Pflegekinder bei sich aufgenommen. In manchen Fragen vertritt sie regierungskritische Positionen, die an Extremismus grenzen. Sie lehnt den Handel mit CO2-Zertifikaten rundweg ab und hält die Erderwärmung für eine Lüge der Umweltlobby.

Zur Feier des „Earth Day“ 2009 tat sie im Repräsentantenhaus ihre Ansicht kund, daß Kohlendioxid ein harmloses „natürliches Nebenprodukt der Natur“ sei, und zog sich damit den Zorn der Umweltschützer zu. Sie befürwortet die Erschließung von Öl- und Gasressourcen in Naturschutzgebieten etwa in Alaska und ist einer Rückkehr zum Goldstandard nicht abgeneigt. Mit derlei Positionen macht sie sich viele Freunde in der Tea-Party-Bewegung – die eigentliche Frage aber ist, ob ihr evangelikaler Fundamentalismus nicht doch allzu viele Wähler der politischen Mitte abschreckt. Genau diese Mitte aber gilt es zu besetzen, wenn die Republikaner im Sommer 2012 zusammenkommen, um ihren Gegen-Obama zu erwählen.

 

Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt Neuere europäische Geschichte an der University of San Francisco.

Foto: Michele Bachmann als Wortführerin der Tea-Party-Bewegung: Scharfe Kritik an Obamas Reformen im Gesundheits- und Finanzwesen

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