© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

Stumpfes Desinteresse
Stadtgestaltung: Der Wiederaufbau der von Karl Friedrich Schinkel realisierten Berliner Bauakademie kommt nicht voran
Claus-M. Wolfschlag

Das bauliche Ensemble rund um das Berliner Schloßareal komplettiert sich nur langsam und unter großen Hindernissen. Während es in Potsdam mit dem Wiederaufbau von Stadtschloß und Altem Markt voranzugehen scheint, stagniert die Bundeshauptstadt. Große Probleme bereitet aktuell die Rekonstruktion der Berliner Bauakademie.

Im April verkündete Kulturstaatsminister Bernd Neumann, daß die Suche nach dem geeigneten Entwurf für das Berliner Einheitsdenkmal ein Ende gefunden hat. Die Wippe soll für zehn Millionen Euro innerhalb einer Bauzeit von zwei Jahren auf dem Sockel des einstigen Kaiser-Wilhelm-Denkmals errichtet werden (JF 17/11). Sie liegt dann direkt vor dem Hauptportal des zumindest äußerlich weitgehend rekonstruierten Berliner Stadtschlosses, dessen Baupläne nun von dem Architekten Franco Stella überarbeitet wurden. Die Fertigstellung ist für 2019 geplant.

Gerade die linke Publizistik zeigt sich immer wieder verärgert über die Pläne zur Rekonstruktion der Berliner Mitte. Projektbeschlüsse werden oft mit Häme übergossen, jede Verzögerung mit zynischer Freude goutiert. Immerhin aber werden für Stadtschloß und Einheitsdenkmal mittlerweile konkrete Bautermine genannt. Das gestaltet sich bei der Bauakademie auf der dem Schloß gegenüberliegenden Seite des Kupfergrabens anders. Hier dürfte der Wiederaufbau weniger an bewußter Verzögerungstaktik und Ressentiments scheitern als an stumpfem Desinteresse. Der Bau wird nicht als politisches Symbol gedeutet, um das es zu ringen gelte, sondern gar als Vorläufer der Baumoderne interpretiert, was seine Akzeptanz bei den gegenwärtig tonangebenden Architekturfunktionären unterstützt.

Das Hochschulgebäude zur Ausbildung von Baumeistern wurde 1832 bis 1836 von Karl Friedrich Schinkel realisiert. Die gleichmäßig-quadratische Konstruktion verband ein modernes Stahlstützen-Gerüst mit einer Vormauerung aus roten Backsteinen und Terrakotta-Schmuckelementen. Im Februar 1945 brannte die Bauakademie bei einem Bombenangriff aus. In der frühen DDR wurde der Wiederaufbau 1951 beschlossen, da das Gebäude in seiner Bausubstanz nicht ernsthaft beschädigt war und zudem – analog zur Gegenwart – mehrheitlich als ideologisch unverfänglich eingestuft wurde. Kurz darauf wurde enttrümmert, der Rohbau fertiggestellt und 1953 Richtfest gefeiert. Doch 1954 wurden plötzlich die Gelder gestoppt, die Bauarbeiten kamen zum Erliegen. Die politische Lage hatte sich verändert. In Konkurrenz zum Westen wurde dem Industrie- und Wohnbau höhere Priorität zugebilligt und ein kühner Plan zur Gestaltung der Hauptstadtmitte aufgestellt. Der Siegerentwurf eines „Ideenwettbewerbs zur sozialistischen Umgestaltung des Stadtzentrums“ vom Oktober 1958, der vom Ersten Sekretär der Bezirksleitung der SED Berlin favorisiert wurde, sah den Abriß der Bauakademie und deren Ersetzung durch ein neues DDR-Außenministerium vor. Die Bauakademie wurde somit Opfer der Selbstdarstellung der neuen „DDR-Nation“ und des antipreußischen Ressentiments einiger Entscheidungsträger.

Erst nach der Wiedervereinigung bekam der Rekonstruktionsgedanke wieder Fahrt. Originalbauteile wurden aufgefunden, und 1994 bildete sich der Förderverein für die Schinkelsche Bauakademie e.V. Ab 2001 wurde nach Plänen des Diplom-Ingenieurs Horst Draheim eine Musterfassade errichtet: die originalgetreue Rekonstruktion der Nord-Ost-Ecke des Gebäudes, ergänzt durch eine komplette Schaufassade aus Gerüsten und bedruckten Kunststoffolien. Ein 2008 vom Liegenschaftsfonds Berlin gestartetes Bieterverfahren aber wurde 2010 abgebrochen, weil es zu keinen passenden Angeboten kam.

Der Berliner Senat zeigt sich zwar weiterhin zum Wiederaufbau der Bauakademie gewillt, doch das Projekt im Zentrum der Hauptstadt besitzt für die öffentliche Hand offenbar so geringe Priorität, daß sie sich nicht an den Kosten von geschätzten 20 Millionen Euro beteiligen will – obwohl der Berliner Unternehmer Hans Wall eine Spende von 15 Millionen Euro in Aussicht gestellt hat. Walls Angebot wurde schnöde abgewiesen, da der Senat nicht einmal zur Übernahme sogenannter „Überhangskosten“ bereit war. Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigte sich damals gegenüber der Presse wortkarg.

Foto: Musterfassade der Bauakademie (2005): Für die öffentliche Hand besitzt das Projekt nur geringe Priorität

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