© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

Politisch wirksam
Onkel Toms Hütte: Die US-Schriftstellerin Harriet Beecher Stowe war eine Gegnerin der Sklaverei
Georg Thiele

Vor 200 Jahren, am 14. Juni 1811, wurde Harriet Beecher Stowe als Pastorentochter im Bundesstaat Connecticut im Nordosten der USA geboren. Sie ist die Autorin des umstrittenen Südstaaten-Romans „Onkel Toms Hütte“. US-Präsident Abraham Lincoln soll zu ihr einmal gesagt haben: „Sie sind also die kleine Frau, die diesen großen Krieg verursacht hat.“

Tatsächlich hatte der amerikanische Bürgerkrieg wirtschaftliche und nicht „moralische“ Ursachen. Die Lexika bescheinigen Beecher Stowe, ihr Roman gegen die Sklavenhaltung sei literarisch nicht sonderlich anspruchsvoll, aber politisch wirksam. Einerseits behaupten verschiedene Quellen, Beecher Stowe habe in „Onkel Toms Hütte“ selbst Erlebtes verarbeitet. Andererseits wurde im Süden der USA behauptet, sie wäre niemals dort gewesen und hätte ihre Weisheiten vom Hörensagen.

Belegt ist, daß sie 1833 eine Reise nach Kentucky unternommen hatte, wo Sklaven gehalten wurden. Ihre Lehrer-Kollegin Mary Dutton erinnerte sich: „Als die Neger uns dort komische Sachen vorführten, Luftsprünge machten, schien es so, als würde sie nicht hingucken. Später, als ich Onkel Toms Hütte las, habe ich eine Szene nach der anderen, die sich auf dieser Reise ereignete, wiedererkannt.“ Von den in „Onkel Toms Hütte“ verwendeten Gewaltphantasien berichtete Dutton jedoch nichts.

Jahre später erhielt Beecher Stowe das Angebot, in der Abolitionisten-Zeitung National Era, die sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte, einen Fortsetzungsroman zu schreiben. „Ich werde schreiben, wie ein Maler malt. Gegen Bilder kann man nicht argumentieren.“ Von Juni 1851 an druckte die Zeitung zehn Monate lang immer neue Folgen ab. Als „Onkel Toms Hütte“ dann 1852 als Buch erschien, wurde es gleich im ersten Jahr ein großer wirtschaftlicher Erfolg.

Immer wieder ist die Behauptung aufgestellt worden, daß „Onkel Toms Hütte“ nicht die Realität in den Südstaaten schildert, sondern extreme Vorkommnisse verallgemeinert. So findet man bei den zeitgenössischen Erlebnissen des „Nigger Jim“ in Mark Twains „Huckleberry Finn und Tom Sawyer“ nichts, was an Beecher Stowes Roman auch nur entfernt erinnert. Wer hatte nun recht? Mark Twain, der den Süden gut kannte, oder Beecher Stowe?

Tatsächlich wurde lange vor 1861 der Bürgerkrieg in den USA vorbereitet. Im Kern ging es neben politischen Differenzen vor allem um unterschiedliche Wirtschaftsinteressen der zunehmend industrialisierten Nordstaaten und des Süden mit seiner arbeitsintensiven Baumwoll- und Zuckerproduktion. Um die Massen zu Kriegsanstrengungen zu mobilisieren, bedurfte es jedoch auch eines „moralischen“ Grundes. Dazu war „Onkel Toms Hütte“ nützlich. Die Auflage erreichte schwindelerregende Höhen und wurde von Sponsoren aufgekauft, um sie an einfache Leute zu verschenken.

Schließlich wurde es ein „moderner“ Krieg. Mit Morden an Zivilisten, mit Plünderungen und Brandschatzungen, mit Kriegsverbrecherprozessen, Lügen und mit Propaganda. Der Roman kann als Vorläufer des Märchens von den abgehackten Kinderhänden 1914 in Belgien gelten, das die USA zu Propagandazwecken nutzten.

1853 veröffentlichte Beecher Stowe eine Rechtfertigung für ihren ersten Roman mit dem langatmigen Titel: „Der Schlüssel zu Onkel Toms Hütte, der die Originaltatsachen und Dokumente vorlegt, auf die sich die Erzählung stützt, sowie ergänzende Erklärungen, die die Wahrheit des Werkes bestätigen“. Dort findet sich eine Zeitungsanzeige über Sklavenversteigerung aus dem Jahre 1852. Die ersten Folgen von „Onkel Toms Hütte“ erschienen jedoch schon 1851. Ihre weiteren Bücher fanden wenig Interesse. Am 1. Juli 1896 starb Harriet Beecher Stowe.

Foto: Schriftstellerin Harriet Beecher Stowe; Original-Titelseite „Uncle Tom‘s Cabin“, 1852: „Schreiben wie ein Maler malt“

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