© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

CD: Military Pop
Krieg aller gegen alle
Nils Wegner

Seit Jahren wird die mysteriöse Musikrichtung des „Military Pop“ oder „Martial Industrial“ von einem Dreiergespann aus Projekten dominiert. Diese Abspaltung des Neofolk, die sich einer klanglichen Umsetzung der Alptraumwelten des Krieges verschrieben hat, wird naturgemäß von europäischen Künstlern beherrscht. Immerhin ist kein anderer Kontinent derart von Verheerungen und Ausmordungen betroffen gewesen. Neben „Triarii“ aus Deutschland und „Les Joyaux de la Princesse“ aus Frankreich stechen vor allem die schwedischen „Arditi“ – benannt nach den italienischen Elitesturmtruppen des Ersten Weltkriegs – mit eindringlichen Klangcollagen hervor.

Auch auf ihrem neuen Album „Leading the Iron Resistance“ bleiben die Musiker Mårten Björkman und Henry Möller ihren künstlerischen Maximen treu. Höchste Produktionsqualität und eine unverwechselbar bedrohliche Grundstimmung gehen in den neun Liedern Hand in Hand, um den Hörer aus seiner saturierten Wohlstandswelt herauszureißen. Vom martialischen Strudel der orchestralen, mit obskuren Redebeiträgen gespickten Hymnen an den „Vater aller Dinge“ (Heraklit) aufgesogen, findet er sich in einer gnadenlosen Parallelwelt wieder, die vom ewigen, totalen Krieg aller gegen alle bestimmt ist.

Während das Titelstück seine musikalische Wucht mit Bedacht entfaltet und die genretypischen Marschtrommeln erst mit allmählichem Anschwellen der Streichermelodie hinzukommen, bricht das klangliche Stahlgewitter im anschließenden „False Mask of Freedom“ nach unheilsschwangerem Glockenläuten unvermittelt los. Ein im Internet kursierendes Musikvideo untermalt die treibenden Marschrhythmen mit schwarzweißen Filmsequenzen einer „formierten Gesellschaft“: Industriearbeiter, dahinschnaufende Güterzüge und bündische Jugend auf Fahrt entfalten ihre Wirkmacht.

„Volunteers“ befaßt sich unter epischen Fanfarenklängen mit den schwedischen Freiwilligenregimentern im Winterkrieg zwischen der Sowjetunion und Finnland, dabei den Hörer durch quälende Wiederholungen dazu zwingend, ein weiteres „Voranstürmen“ der militanten Musik herbeizusehnen. Die verhaltenen „Military Virtue“ und „Fahnen Ewigkeit“ gemahnen, in widriger Zeit Haltung und die gefährdeten Tugenden im Herzen zu bewahren. Nach dem chorallastigen „Forging a New Man“ bestürmt „We the Unity, You the Mass“ den Hörer dann mit ätherischen Klängen, die Stärke und Zuversicht transportieren. Nachdem der entscheidende Schlag gegen Vermassung und Oktroyierung gelungen ist, klingt das martialische Album seltsam beschwingt mit „A Giant Bleeds“ aus – ein musikalischer Triumph über die Pöbelherrschaft und wohl auch ein höhnischer Gruß an jene Kritiker, die den beiden Schweden gewiß vorwerfen werden, auch mit dieser CD wieder die nächste Machtergreifung zu befördern.

Insgesamt mutet das Album wie eine Mobilmachung gegen den Ansturm eines nihilistischen, alles auf einen Marktwert reduzierenden Individualismus an. „Leading the Iron Resistance“ ist ein Konzeptalbum der Unbeugsamkeit, das vor allem junge Rebellen lieben werden. Den Advokaten des dahinvegetierenden Konsumismus und der politischen Enthaltsamkeit wird es hingegen aufs Gemüt schlagen.

Arditi, Leading the iron Resistance www.equilibriummusic.com

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