© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/11 17. Juni 2011

Fragwürdige Papiere der Europäischen Zentralbank
Eine tickende Zeitbombe
Philipp Bagus

In der Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB) schlummern erhebliche Risiken für den Steuerzahler. Die Denkfabrik OpenEurope hat die Lasten aus Griechenland & Co. auf 440 Milliarden Euro geschätzt. Die EZB hat von den Peripheriestaaten Staatsanleihen in Höhe von gut 75 Milliarden Euro (davon etwa 42 Milliarden aus Griechenland) erworben. Zudem hat sie den strauchelnden Banken dieser Länder rund 369 Milliarden an Krediten gewährt. Diese Lasten steigen kontinuierlich an.

Falls es zu einem Bankensturm kommt, werden diese Kredite nicht bedient. Griechen ziehen immer mehr Einlagen aus ihren Banken ab, die sich nur durch Staatsgarantien über Wasser halten. Irische Banken werden durch Notkredite ihrer Zentralbank gestützt.

Spanische Banken sitzen auf faulen Immobilienkrediten. Alle Bankensysteme haben enorme Summen von Staatsanleihen ihrer eigenen Regierungen angesammelt. Wenn die Banken zusammenbrechen und Kredite an die EZB nicht zahlen, bleiben der EZB noch die hinterlegten Sicherheiten, größtenteils Staatsanleihen oder Garantien der klammen Euro-Staaten.

Um Verluste aufzufangen, besitzt die EZB Eigenkapital und Reserven in Höhe von 81 Milliarden Euro. Bei einer Bilanzsumme von 1.895 Milliarden Euro bedeutet das einen atemberaubenden Hebel von 23,4. Bei einem Verlust auf ihre Vermögenswerte von nur 4,25 Prozent ist die EZB technisch insolvent. Die griechische Regierung wird früher oder später ihre Zahlungen einstellen. Der Schuldenberg übersteigt bald 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Defizitquote liegt – trotz angeblich intensiver Sparbemühungen – bei zehn Prozent des BIP.

Was bedeutet ein griechischer Konkurs für die EZB? Die Banken des Landes gingen pleite, und die EZB bliebe auf den griechischen Staatsanleihen als Sicherheiten sitzen. OpenEurope schätzt die Verluste der EZB bei einem griechischen Schuldenschnitt von 50 Prozent auf 44 bis 65 Milliarden Euro. Ein Großteil ihrer Reserven und Kapital wäre ausradiert. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß ein griechischer Schuldenschnitt eine europäische Bankenkrise, emporschießende Staatsdefizite und Schulden aufgrund von Rettungsaktionen sowie schließlich den Konkurs weiterer Staaten und damit zusätzliche Verluste für die EZB bedeuten könnte.

Die EZB müßte rekapitalisiert werden. Deutschland käme für rund 28 Prozent der Kosten auf. Es gibt zwei Möglichkeiten, dies zu finanzieren: höhere Steuern oder Geldproduktion. Im letzteren Falle produziert die EZB Geld und gibt es den Banken, die damit Staatsanleihen kaufen. Mit dem neuen Geld rekapitalisieren die Staaten dann die EZB. Die Kosten tragen die Euronutzer in Form von Inflation. Nur ein Austritt aus dem Euro kann den Deutschen diese Kosten ersparen.

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