© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

„Der Konkurs Griechenlands ist ein Fakt“
Euro-Krise: Neue Milliardentransfers sollen Staatspleite abwenden / Mauscheleien mit Kreditversicherungen?
Marco Meng

Nachdem die 110 Milliarden Euro aus dem ersten „Hilfspaket“ für Griechenland aufgebraucht sind, kommt nun die nächste Aktion in Höhe von schätzungsweise weiteren 100 Milliarden Euro. Eine mit „Solidarität“ begründete Ausplünderung der europäischen und speziell der deutschen Steuerzahler? Zumindest wohl eine gigantische Wertevernichtung, denn auch die neuen Milliardentransfers können nur dazu dienen, das unausweichliche Ende – den nach 1893 und 1932 dritten Staatsbankrott – hinauszuzögern.

Als „Gegenleistung“ für die Kredite der Rettungsschirme EFSF und EFSM sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll der griechische Staat bis 2015 weitere 23 Milliarden Euro an öffentlichen Ausgaben einsparen, etwa durch Lohnkürzungen für Staatsbedienstete und den Verkauf von Staatsunternehmen und Liegenschaften. Dabei werden in Griechenland erneut Vorwürfe laut, die griechische Regierung, allen voran der sozialistische Regierungschef Giorgos Papandreou habe sich durch illegale Machenschaften bereichert.

Überraschend wäre das nicht, denn schon Großvater Georgios und Vater Andreas Papandreou hatten als Ministerpräsidenten die Geschicke des Landes mitgestaltet. Alle drei haben die herrschende Korruption und die seit Generationen anhaltende Unlust auf unbequeme Reformen mitzuverantworten. Die griechischen Oppositionsabgeordneten Panos Kammenos (ehemaliger Staatssekretär für Handels- und Inselfragen) und George Karatzaferis werfen Papandreou vor, die Postbank Griechenlands veranlaßt zu haben, sogenannte CDS (Credit Default Swaps/handelbare Kreditversicherungen) im Werte von einer Milliarde an eine Firma in Genf zu verkaufen.

Die Hellenic Post Bank hatte im August 2009 für 950 Millionen Euro CDS auf griechische Staatsanleihen gekauft, damals 15 Prozent aller begebenen CDS auf Athener Bonds. Im Dezember, als die Spanne zu deutschen Bundesanleihen nur 235 Basispunkte betrug, verkaufte dann die griechische Postbank ihre CDS-Positionen. Die griechische Postbank habe damit zwar kurzfristig einen Gewinn von 35 Millionen Euro machen können, doch die griechische Regierung würde heute erheblich besser dastehen, wenn sie diese CDS noch besäße.

Papandreous Regierung habe wissentlich Griechenlands einzige Sicherheit im Falle des Staatsbankrotts verkauft. Vor allem sei der CDS-Vorgang aber ein Insidergeschäft gewesen – zugunsten von Familienmitgliedern und Freunden Papandreous. Ausgerechnet Papandreou, der seit dem Ausbruch der griechischen Finanzkrise Spekulanten für den finanziellen Niedergang seines Landes verantwortlich macht? Diese Kreditausfallversicherungen „müßten jetzt zwölf bis 22 Milliarden Dollar wert sein“, behauptet Kammenos.

Die angeblich involvierte Genfer Investmentgesellschaft versichert hingegen, nie CDS auf griechische Staatsanleihen gekauft zu haben. „Herr Margellos, unser geschäftsführender Teilhaber, hat umfassend über CDS geschrieben und das Verbot solcher Versicherungen gefordert, unter anderem in der Financial Times.“ Man habe darüber hinaus rechtliche Schritte gegen Kammenos eingeleitet. Selbst wenn an den Anschuldigungen etwas dran ist – gegen die Dimensionen einer griechischen Staatspleite helfen keine Versicherungen.

 „In dieser Situation muß irgendwer auf Ansprüche verzichten. Das kann nicht nur der Steuerzahler sein. Auch die Banken und Versicherungen müssen mitmachen. Sonst kommen sie nie zur Raison“, verlangte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, in der Wirtschaftswoche. „Der Konkurs Griechenlands ist ein Fakt. Die Märkte haben dies erkannt und bewerten zehnjährige griechische Staatsanleihen mit 58 Prozent des Nennwerts. Mit einem entsprechenden Abschlag sollte man alle Griechenland-Papiere belegen, sobald sie fällig werden. Das wäre der Haircut.“

Der zusätzliche Finanzbedarf Griechenlands für die beiden kommenden Jahre wird auf bis zu 65 Milliarden Euro geschätzt. Deutschland stellt Kreditgarantien von 22,4 Milliarden Euro und ist damit nach dem IWF (30 Milliarden Euro) der zweitgrößte Garant der griechischen Zahlungsfähigkeit. Der Finanz­experte der FDP-Bundestagfraktion, Frank Schäffler, lehnt Zugeständnisse an Griechenland strikt ab und plädiert statt dessen für einen Austritt des Landes aus der Währungsunion.

Deutsche und Niederländer schlugen eine EU-Treuhand zum Verkauf griechischen Tafelsilbers vor. Aber alles steht bisher nur auf dem Papier, oft sind nicht einmal die Grundbuchfragen öffentlicher Immobilien geklärt, in vielen Betrieben genießen die Mitarbeiter Kündigungsschutz. Welcher Investor interessiert sich für solche Betriebe? Der Plan einer Verbriefung griechischen Besitzes, der dann als Sicherheit für neue Kredite dienen könnte, dürfte nicht nur an organisatorischen Hürden scheitern. Denn welcher Gerichtsvollzieher kann gegen den Widerstand des griechischen Volkes griechischen Besitz beschlagnahmen? Soll vielleicht eine EU-Eingreiftruppe das „Pfandgut“ eintreiben?

Das Griechenland-Problem liegt am Konstrukt des Euro selbst – und der Tatsache, daß Politiker vor den bekannten Gefahren die Augen verschlossen. „Ohne Abwertung kommt Griechenland nie wieder auf die Beine. Dazu gibt es keine tragbare Alternative“, konstatiert Ifo-Präsident Sinn. Der Euro selbst ist das Fehlerhafte. Bis zur Einführung des Euro haben die heutigen Pleiteländer wie Griechenland, Portugal oder Irland verhältnismäßig solide gewirtschaftet, wie eine Berechnung des Europäischen Statistikamts Eurostat ergab. Demnach stiegen die Arbeitskosten in Griechenland im letzten Jahr vor dem Beitritt des Landes zum Euro um moderate 1,5 Prozent in der gewerblichen Wirtschaft, 2,6 Prozent in der Industrie und 4,7 Prozent in der Verwaltung. 2002, im ersten Jahr des Euro-Bargeldes, schossen die Arbeitskosten um 11,7 Prozent (Gewerbe), 13 Prozent (Industrie) und 15,1 Prozent (Verwaltung) in die Höhe.

Während in Griechenland manche so tun, als seien an der Krise die bösen Deutschen schuld, hat das Land selbst kaum wirkliche Sicherheiten zu bieten. Sowohl Euro als auch die Rettungsschirme sind gescheitert. Erst wenn diese Wahrheit eingestanden wird, kann man die Probleme lösen. Der Vorsitzende des griechischen Unternehmerverbandes, Dimitris Daskalopoulos, hatte bereits Mitte Mai ein schonungsloses Fazit gezogen: „Wir sind als Land schon vor einem Jahr pleite gegangen.“

Foto: Griechen protestieren gegen die EU-Sparauflagen: Der Euro eint nicht, sondern er spaltet Europa

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