© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Grüße aus Rom
Römische Taxidramen
Paola Bernardi

Die Einladung ist auf feinstem Bütten geschrieben und per Boten versandt: „Haben die Ehre, die Signora P.B. zu einem Abendessen um 21 Uhr einzuladen.“ Man freut sich. Dem abendlichen Vergnügen steht nichts mehr im Wege, wenn, ja wenn da nicht die römischen Taxifahrer wären.

Rom-Laien muß man nämlich klarmachen, daß man in der Regel am Abend ein Taxi nehmen muß: Um vor allem nicht den kostbaren Parkplatz vor der Wohnung zu verlieren. Von Metros und Bussen ist am Abend generell abzuraten, wegen Anpöbeleien und Diebstählen.

Das Unding ist jedoch, daß Taxen nur zum Flughafen und zum Hauptbahnhof vorbestellt werden können. Alles andere ist pures Hasardspiel. Erste Regel: Man muß rechtzeitig, sagen wir 50 Minuten vorher fertig angezogen sein, wenn die Fahrzeit zehn Minuten beträgt.

Aufgeputzt wählt man bedächtig die zuständige Taxi-Nummer. Besetzt. Nur nicht aufgeben. Man wählt wieder und wieder. Endlich erlösende Musik im Taxi-Auftragsdienst. Kaum daß man in die Musik eindringt, holt einen die Gegenwart in Form einer penetranten Frauenstimme ein: „Danke, daß Sie uns gewählt haben“ und legt man dem Hinweis, daß alle Taxis belegt seien, rüde auf.

Neues Spiel. Dieses Mal hat man Glück, eine Computer-Stimme nennt die eigene Adresse (wo bleibt die Privacy?) und schnarrt: „Warten“. Eingeschüchtert wartet man, bis der erlösende Zuruf „Napoli 10“ ertönt und das Gespräch abrupt beendet. Rasch die Treppe hinunter, bevor ein anderer das Taxi vor der Haustür wegschnappt. Rein in den Fond. Gerettet.

Nie mehr werde ich monieren, wenn der Taxifahrer zu hohe Anfahrtskosten berechnet hat. Nachdem ich deshalb zur Anhalterin im Cocktailkleid wurde.  Dieses Mal kam man pünktlich  an. Reines Glück. Denn es kann auch passieren, daß das Taxi sofort vor der Tür steht. Ergebnis: Man ist viel zu früh. Während der Gastgeber noch in der Wanne plantscht, dreht man seine Runden um den Palazzo, mißtrauisch beäugt von Hausmeistern, die in einem eine  raffinierte Trickdiebin vermuten. Fünf Minuten nach der Zeit klingelt man dann bei den Gastgebern. Ein gelungener Abend. Der letzte Taxigeschädigte Gast trifft nach eineinhalb Stunden ein: Der Blätterteig ist durchweicht, die Gäste mittels Getränken extrem fröhlich. Das Abendessen kann jetzt seinen Verlauf nehmen. Es sind die römischen Taxifahrer, die einem so drastisch die Kontinuität der Zeit vermitteln.

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