© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/11 10. Juni 2011

Wettlauf mit der Zeit
Innere Sicherheit: Union und FDP streiten über die Verlängerung der von den Anti-Terrorgesetzen gewährten Sonderrechten
Lion Edler

Am 11. September jähren sich die Terroranschläge von New York und Washington zum zehnten Mal und bis heute prägen die Ereignisse die internationale wie die nationale  Politik. In Deutschland sorgen pünktlich zu den anstehenden Gedenkveranstaltungen die als Reaktion auf den 11. September 2001 beschlossenen Anti-Terrorgesetze für hitzigen Streit in der schwarz-gelben Koalition.

Dabei geht es um die notwendige Verlängerung von befristeten Sonderbefugnissen, die den Nachrichtendiensten im Zuge des Terrorismusbekämpfungsgesetzes des Jahres 2002 unter Rot-Grün gewährt wurden. Das erste „Anti-Terror-Paket“ wurde bereits am 19. September 2001, also acht Tagen nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten beschlossen. Darin wurden das Verbot terroristischer Vereinigungen auf ausländische Organisationen ausgeweitet, das sogenannte Religionsprivileg im Vereinsrecht abgeschafft, zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen für Flughafenmitarbeiter durchgesetzt und die finanziellen Mittel für die Sicherheitspolitik erheblich angehoben.

Ende 2002 folgte dann das Terrorismusbekämpfungsgesetz, über das die Koalition nun debattiert. Dieses enthält vor allem erweiterte, befristete Handlungsoptionen für den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst. Nach einer Überprüfung der Maßnahmen durch das Bundesinnenministerium wurden diese Regelungen 2007 erstmals verlängert. Von den zehn Sonderbefugnissen will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nun sechs verlängern und zudem weitere Auskunftsrechte für Geheimdienste ergänzen im Januar 2012 läuft die Frist für die 2002 beschlossenen Maßnahmen ab.

Doch der Widerstand aus der FDP ist heftig, besonders Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verärgerte die Union mit einem 13seitigen Positionspapier. Darin zeigt sie sich nur zu einer Verlängerung von vier Sonderrechten für die Dienste bereit, darunter die Auskunftsrechte bei Telekommunikationsunternehmen. Anfragerechte der Geheimdienste bei Fluggesellschaften und Finanzdienstleistern über Daten von Terrorverdächtigen sollen jedoch nicht verlängert werden. Weiterhin soll ein „Betroffenenanwalt“ eingesetzt werden, der im indirekten Auftrag ihm nicht namentlich bekannter Terrorgefährder darauf achten soll, daß deren Rechte nicht unterhältnismäßig eingeschränkt werden. Den MAD will die Ministerin gleich ganz abschaffen und seine Kompetenzen dem Verfassungsschutz zuordnen, da die jetzige Aufteilung zu zur „Gefahr doppelter Grundrechtseingriffe“ führe. Außerdem kritisierte sie eine „Angleichung und Vermischung“ der Befugnisse von Polizei und Nachrichtendiensten. Eine „Unabhängige Regierungskommission“ soll zudem alle Gesetzesbeschlüsse der Terrorbekämpfung in den vergangenen zehn Jahren neu bewerten und gegebenenfalls ändern. Die Kommission solle bis Ende 2011 erste Handlungsempfehlungen vorlegen. Die Union vermutet hinter dem Vorschlag allerdings den Versuch, die Debatte so lange hinauszuzögern, bis die Frist für die Sonderbefugnisse der Nachrichtendienste Anfang 2012 ausläuft.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wandte sich unterdessen gegen die Behauptung von Gegnern der Anti-Terrorgesetzgebung, auch unbescholtene Bürger könnten zum Ziel der Nachrichtendienste werden. Im Gesetz stehe, daß die Maßnahmen nur angewandt werden könnten, wenn es „tatsächliche Anhaltspunkte für schwerwiegende Gefahren“ gebe. Weiterhin kritisierte Friedrich die Forderung, die Befugnisse der Nachrichtendienste zu beschränken. Die Festnahmen von Terrorverdächtigen in Bochum und Düsseldorf vor wenigen Wochen seien nur durch die Anti-Terrorgesetze möglich geworden. Dadurch hätten die Nachrichtendienste „in das islamistische Netzwerk eindringen“ können, so Friedrich in einem Gastbeitrag für die Bild-Zeitung. Im Zusammenhang mit den Kritikern des Gesetzes klagte Friedrich über „linksliberale Fundamentalisten“. Die Antwort folgte auf dem Fuße: Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, beschimpfte Friedrich als „konservativen Verfassungsgegner“.

Foto: Polizeiposten vor dem Auswärtigen Amt in Berlin (2010): Verzögerungstaktik der Justizministerin?

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