© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/11 03. Juni 2011

Vor dem Paukenschlag
Euro-Zone: Trotz der geliehenen Rettungsmilliarden wird die griechische Schuldenkrise immer dramatischer
Bernd-Thomas Ramb

Ein Jahr nach der „einmaligen“ finanziellen Hilfe durch die Rettergemeinschaft Europäische Union (EU), Euro-Rettungsfonds (ESFS) und Internationaler Währungsfonds (IWF) steht Griechenland wieder vor der Staatspleite. Die versprochenen Eigenleistungen wie Steuererhöhungen, bessere Steuereintreibung, Kürzung der Ausgaben, speziell der Extragehälter der griechischen Beamten, vor allem aber der Verkauf griechischen Staatsvermögens, haben kaum Etaterleichterungen bewirkt, wenn sie überhaupt durchgesetzt wurden. Der griechische Staat braucht wieder Geld von außen, und das möglichst schnell, denn alte Staatsverschuldungspapiere werden zur Auszahlung fällig, und die Kassen sind leer.

„Sanfte“ Umschuldung ist wie „ein bißchen schwanger“

Der Verdacht der Finanzfachleute, Griechenland könne niemals aus eigener Kraft seine Schuldenlast abtragen, liegt spätestens seit dem letzten Kassensturz anläßlich des Regierungswechsels im Oktober 2009 vor. Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verärgerte im Frühjahr des letzten Jahres Angela Merkel mit seiner Prognose der Rückzahlungsunfähigkeit Griechenlands – unmittelbar nachdem er zuvor die neue griechische Regierung bei ihrem Schuldenmanagement beraten hatte: „Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln.“ Die Bundeskanzlerin sah damals „keinen Anlaß und keinen Nutzen für derartige Spekulationen“.

Heute zeigt sich die Bundesregierung solchen Szenarien gegenüber aufgeschlossener. Der jetzige Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, unterstützt nach wie vor seinen Koalitionskollegen Wolfgang Schäuble (CDU): „Der Bundesfinanzminister hat die FDP-Fraktion an seiner Seite, wenn er eine sanfte Umschuldung hart aber fair umsetzt.“ Unabhängig von der lustig kontrastierenden Formulierung des Unterstützungsangebots greift der ehemalige Wirtschaftsminister das neue Zauberwort der Griechenlandhilfe auf: „sanfte“ Umschuldung – eine besänftigende Bezeichnung für die schon davor ins Auge gefaßte „haircut“-Lösung

Die Bundesregierung würde damit wieder einmal einer Strategie der EU folgen, die schon länger über eine Fortsetzung der „einmaligen“ Griechenlandhilfe nachdenkt. Als ungestümer Vertreter der „sanften“ Umschuldung produziert sich inzwischen der Chef der Euro-Währungsgruppe, Jean-Claude Juncker, der dabei die Bezeichnung „reprofiling“ vorzieht. In seiner Doppeldeutigkeit verständlich, da Juncker selbst immer mehr in der Euro-politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden droht. Juncker ist zudem ins politische Zwielicht geraten, weil er das Lügen der Politiker aus Opportunitätsgründen propagiert: „Wenn es ernst wird, muß man lügen.“

Wie und warum auch immer verbal verbrämt, im Kern bedeutet die „sanfte“ Umschuldung eine Verringerung der Schuldenlast durch eine Brechung der vereinbarten Kreditverträge. Das Sanfte an der vorgeschlagenen „sanften“ Umschuldung ist die Eingrenzung der Schuldner und die Art des Vertragsbruchs: Die vertraglich vereinbarte Laufzeit der bestehenden Kreditverträge soll unter Beibehaltung der anderen Konditionen, vor allem des Zinssatzes, verlängert werden. Betroffen sollen nur die Kreditverträge zwischen Griechenland und der Europäischen Union beziehungsweise dem Rettungsfonds EFSF sein. Aber schon da fängt der Streit um das Ausmaß der Sanftheit an.

Die Bundesregierung möchte die privaten Gläubiger Griechenlands, also vornehmlich die Geschäftsbanken, und die institutionellen Kreditgeber, dazu wäre auch die Europäische Zentralbank (EZB) zu zählen, mit einbeziehen – selbstverständlich auf freiwilliger Basis, wenn auch mit sanftem Druck. Die EZB hat dieses Ansinnen schon heftig zurückgewiesen. EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark prophezeit: „Eine Umschuldung ist das Rezept für eine Katastrophe.“ Der Volkswirt weiß, wovon er spricht. Umschuldung ist Vertragsbruch und selbst ein bißchen Vertragsbruch ist Vertrauensbruch. Vertrauensbruch aber ist ein Schalter, der stets vollständig umgelegt wird. Ein bißchen Vertrauensbruch ist ebenso wenig möglich wie ein bißchen schwanger.

Blaupausen für Portugal, Irland, Spanien und Italien?

Die Folgen einer „Umschuldung“ lassen sich an der Argentinienkrise 2002 in Erinnerung rufen. Nachdem Argentinien seine Schulden nicht mehr bediente und den Gläubigern harte Schuldenschnitte aufnötigte, brach seine Kreditwürdigkeit vollends zusammen. Gleiches dürfte Griechenland widerfahren, wenn es beginnt, seine Staatsschulden nicht mehr vertragsgemäß zu tilgen und zu verzinsen. Im Gegensatz zu Argentinien ist jedoch Griechenland in eine politische Union und mehr noch in eine Währungsunion eingebunden, die beide ein soziales und ein währungspolitisches Auffangnetz suggerieren, deren Rechtmäßigkeit allerdings fraglich ist. Trägt das Netz, werden Staaten, die vor den gleichen Problemen wie Griechenland stehen, dem griechischen Beispiel folgen.

Portugal und Irland werden kaum einsehen, schlechtere Bedingungen als Griechenland ertragen zu sollen. Weitere, durch sinkende Kreditwürdigkeit bereits jetzt schon betroffene Länder wie Spanien, Italien und Belgien erhalten Blaupausen für die Überwindung ihrer Schuldenmisere. Die Liste der Länder, die das griechische Modell noch finanzieren können, wird immer kürzer, bis nur noch Deutschland, Finnland und die Niederlande übrigbleiben. Spätestens dann endet die sanfte Umschuldung mit einem Paukenschlag.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen