© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Gespräche zur Lage der Nation
Das JF-Interview: Hier wagen freie Bürger die freie Rede – doch nicht jeder hat den Mut dazu

Immer wieder sorgen die Interviews der JUNGEN FREIHEIT für Schlagzeilen und Kritik. Skandalisiert wird dabei aber meist nicht, was gesagt, sondern daß der JF ein Gespräch gewährt wurde.

Nur wenige finden dazu so klare Worte wie etwa Egon Bahr: „Ich sehe mit Entsetzen, daß man sich darauf beschränkt, zu diskutieren, ob ich der Zeitung ein Interview hätte geben sollen“, empört er sich gegenüber einem TV-Journalisten in die Kamera, der ihn ob seines JF-Interviews zur Rede stellen will. Doch weil der das nicht versteht, erklärt es Bahr noch einmal: „Ich habe die Zeitung über Monate ein bißchen verfolgt, fand sie interessant, intelligent, rechtskonservativ – aber nicht nazistisch – und habe gedacht, nachdem ich gesehen habe, daß sie auch den 20. Juli 1944 fabelhaft behandelt haben, einschließlich der Sozialdemokraten, ich könnte ein Interview geben.“ Wenig später sekundiert ihm sein Genosse Friedhelm Farthmann, langjähriger Partei- und Fraktionschef der SPD in NRW. Die Nachfragen des Journalisten ignoriert er einfach und diktiert diesem statt dessen ins Stammbuch: „Ich finde die Bekämpfung (der JF) durch das Meinungskartell schlimm!“ Überhaupt zeigen sich vor allem Sozialdemokraten couragiert: So verteidigt etwa ebenso der damals sogar aktive SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel, wie der ehemalige SPD-Bundesminister Andreas von Bülow jeweils ihre JF-Interviews beharrlich und standhaft.

Ähnlich engagiert zeigt sich sonst vor allem Peter Scholl-Latour. Als der Spiegel versucht, seine JF-Unterstützung zu skandalisieren, teilt er dem „Sturmgeschütz der Demokratie“ lapidar mit: „Zensur brauchen wir nicht!“ Im Gegenteil, er finde es „ganz gut, wenn Unkonventionelles veröffentlicht wird“. Und gegenüber Kollegen vom Fernsehen sagt Scholl-Latour gar, schließlich sei die JF die einzige Zeitung, die ihn noch unzensiert drucke. Leider verzichten die Kollegen später darauf, den Satz auch zu senden. Dafür schreibt Scholl-Latour der JF allerdings ins Gästebuch: „Ihre Zeitung bedeutet für mich, daß es in der Medienlandschaft noch unabhängige Geister gibt und Journalisten, die das Risiko eingehen, gegen den Strom zu schwimmen.“

Die treffendste Antwort aber findet wohl der Publizist und Chef vom Dienst beim Focus, Michael Klonovsky. Auf die Frage, warum er denn der JUNGEN FREIHEIT ein Interview gegeben habe, erteilt er dem Fragenden eindrücklich eine Lektion in Bürgerstolz – mit nur einem einzigen Satz: „Weil es mein Recht ist!“

 

Ephraim Kishon

Israelischer Satiriker, Anwärter auf den Literaturnobelpreis und Holocaustüberlebender (1924 bis 2005

„Ich kann Ihnen ebenfalls keine rationale Erklärung dafür geben, warum im Westen die Presse, die Jurys, die Komitees allesamt linksgerichtet sind. Ich habe nichts gegen Linksgerichtete, eher schon gegen Rechtsgerichtete – aber das verstehe ich nicht. Als ich 1949 aus Ungarn nach Israel geflüchtet war und laut gesagt habe, der Stalinismus sei ein schreckliches System, wurde ich von diesem Moment an boykottiert. Diese Meinung galt als rechts und reaktionär. Ich frage mich seither, wie ist es nur möglich, daß fast alle europäischen Intellektuellen Anhänger der stalinistischen oder maoistischen Systeme waren? Man bleibt allein. Auch Ihre Zeitung. Sie sind ‘rechtsgerichtet’, weil Sie nicht linksgerichtet sind. Ihr niveauvolles Blatt ist nicht radikal, es ist nicht einmal, was man ‘rechts’ nennt, sonst hätte ich Ihnen kein Interview gegeben.“

 JF 13/01 vom 23. März 2001

 

Rolf Hochhuth

Schriftsteller und Dramatiker, vor allem mit seinem Stück „Der Stellvertreter“ wurde er international bekannt (Jahrgang 1931)

„Im Imperial War Museum in London können Sie Tausende von Fotos betrachten, die die Waffentaten und Husarenstücke der Royal Air Force dokumentieren. Von der Zerstörung der Krupp-Werke in Essen über die Präzisionsangriffe auf deutsche Talsperren bis hin zur spektakulären Versenkung des deutschen Schlachtschiffes ‘Tirpitz’ aus der Luft. Sie sehen dort aber auf keinem einzigen Foto eine zerstörte deutsche Innenstadt – als seien Städte überhaupt nicht bombardiert worden.“

JF 08/05 vom 18. Februar 2005

 

Laurenz Meyer

Ehemaliger CDU-Generalsekretär, zuvor Schatzmeister und Fraktionschef seiner Partei in Nordrhein-Westfalen (Jahrgang 1948)

„Die Ökosteuer, wie sie zur Zeit existiert, ist eine reine Abzockerei, insbesondere für Pendler, die ihren Arbeitsplatz erreichen müssen, Landwirte oder auch zum Beispiel für das Transportgewerbe. Das ist in einem Maße betroffen, daß es existenzgefährdend ist. Das als ‘öko’ auszugeben, das ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, so wie das gemacht wird.“

JF 04/00 vom 21. Januar 2000

 

Hans Hirzel

Angehöriger der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, später persönlicher Mitarbeiter von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer (1924 bis 2006)

„Unser Widerstand war ausgesprochen patriotisch: Über meine Motive habe ich schon gesprochen, denken Sie aber auch an Willi Grafs vorletzten Brief, in dem er von seiner ‘Liebe zu Deutschland’ sprach. Oder denken Sie an Professor Huber, der seinen letzten Schluck Wein vor der Hinrichtung ausdrücklich auf das ‘Wohl seines geliebten Vaterlandes’ trank und seiner Frau schrieb, ‘freue Dich, daß ich für unser Vaterland sterben darf’. Sophie sprach vor Gericht davon, daß sie das Beste ‘für ihr Volk’ getan habe.“

JF 09/03 vom 21. Februar 2003

 

Peter Glotz

SPD-Vordenker und ehemaliger Bundesgeschäftsführer seiner Partei (1939 bis 2005)

„Wenn ich den Sa tz ‘Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört’ von jemand anderem als von dem von mir so bewunderten Willy Brandt gehört hätte, hätte ich ihn für organologischen Unsinn gehalten.“

JF 05/05 vom 28. Januar 2005

 

Hermann Otto Solms

Ehemaliger FDP-Fraktionsvorsitzender und Vize-Präsident des Deutschen Bundestages (Jahrgang 1940)

„Wir wollen die Einwanderung – allerdings nach eigenem Bedarf. Natürlich müssen wir sicherstellen, daß unser Land nicht zum Sammelplatz von Fundamentalismus und Terrorismus wird. Da muß in Zukunft eine schärfere Kontrolle der Einwanderer erlaubt sein.“

JF 44/01 vom 26. Oktober 2001

 

Egon Bahr

Ehemaliger SPD-Bundesminister, Berater und persönlicher Freund Willy Brandts (Jahrgang 1922)

„Aber die Vergangenheit darf die Zukunft nicht behindern. Der Widerstand des 20. Juli – der von sehr konservativen Menschen getragen wurde, die durch den Nazismus verführt, dann davon bekehrt worden sind und die daraus die Konsequenzen gezogen haben, inklusive der Bereitschaft, ihr Leben dafür einzusetzen – ist in der Tat eine Tradition, auf die wir stolz sein können. Und ich kenne übrigens keine deutsche Zeitung, die die Erinnerung an den 20. Juli so leidenschaftlich engagiert, so ernst und so ausführlich behandelt hat wie die JUNGE FREIHEIT. (…) Brandt hat sich zu seinem Land bekannt. Sein Kniefall hat deutsche Schuld bezeugt. Aber kein Volk kann dauernd kniend leben.“

JF 46/04 vom 5. November 2004

 

Vytautas Landsbergis

Ehemaliger Präsident Litauens, führte das Land 1990 in die Unabhängigkeit von Moskau (Jahrgang 1932)

„Warum erinnert Ihr Deutschen Euch nicht daran, daß zum Beispiel die „Befreiung“ Ostpreußens mit der fast vollständigen Vertreibung beziehungsweise Auslöschung seiner Bevölkerung einherging? Die Deutschen in den von den Sowjets eroberten Gebieten sind Opfer eines Völkermords geworden – wie übrigens auch die in Ostpreußen lebenden Litauer, aber das war natürlich nur eine Minderheit. Seltsamerweise gibt es heute in Deutschland kein Bewußtsein für diesen Genozid. Die Deutschen wissen vom Völkermord an den Juden, den Indianern, den Armeniern, aber nichts von dem an ihnen verübten. Vergegenwärtigen Sie sich diese Tatsache mal für einen Moment.“

JF 19/05 vom 6. Mai 2005

 

Peter Eisenman

Amerikanisch-jüdischer Stararchitekt, Schöpfer des Holocaustmahnmahls in Berlin (Jahrgang 1939)

„Ich glaube, daß es gut für Deutschland wäre, sein Verhältnis zu seiner Geschichte zu normalisieren.“

JF 35/10 vom 27. August 2010

 

Peter Brandt

Der Historiker und Sozialdemokrat ist der älteste Sohn von Rut und Willy Brandt und Mitglied der His-torischen Kommission beim Parteivorstand der SPD (Jahrgang 1948)

„Aber zu behaupten, Linke und Nation seien per se unvereinbar, ist Unsinn. Der nationale Zusammenhang ist nach wie vor ein wichtiges Element unseres Daseins – sowohl für den einzelnen wie für das politische Kollektiv. Selbst wenn man dafür eintritt, daß Europa auf eine supranationale Einigung zustrebt – wie ich es tue –, selbst dann kann die Bauform Europas realistischerweise nur der Nationalstaat sein, ein europäisches Spezifikum, dessen Entstehung nicht zufällig mit der Herausbildung der Verfassungsstaatlichkeit und letztlich der Demokratie historisch verknüpft war.“

 JF 40/10 vom 1. Oktober 2010

 

Heinz Buschkowsky

Bundesweit bekannt gewordener SPD-Bürgermeister von Berlin-Neukölln (Jahrgang 1948)

„Der sogenannten ‘multikulturellen Gesellschaft’ haben wir es vor allem zu verdanken, daß in unseren Städten Gebiete der sozialen und ethnischen Segregation entstanden sind. Über das Konzept der multikulturellen Gesellschaft wurde bei uns nie mit den Betroffenen diskutiert oder demokratisch abgestimmt – also haben die Leute mit dem Möbelwagen abgestimmt.“

JF 11/05 vom 11. März 2005

 

Asfa-Wossen Asserate

Äthiopischer Prinz, bekannt durch sein Buch „Manieren“ (Jahrgang 1948)

„In privaten Gesprächen habe ich die Deutschen immer wieder ermuntert, sich zu sich selbst zu bekennen. Denn nur wenn die Deutschen in sich selbst ruhten, haben sie der Menschheit viel Gutes gegeben. (…) Heute ist die deutsche Jugend zum Glück wieder bereit, sich zu ihrem Vaterland zu bekennen. Und die Deutschen haben endlich auch wieder ein Verhältnis zu ihrer Flagge. (…) Ja, ich glaube, wenn die Deutschen wieder unbefangen vor Ergriffenheit für Ihr Land weinen können, etwa wenn sie ihre Nationalhymne hören, dann wäre der Bann gebrochen! Die Tugend, vor patriotischer Rührung zu weinen, würde aller Welt zeigen, daß die Deutschen Menschen sind und ein Herz haben, das sich rühren läßt. Und daß sie nach einer langen seelischen Irrfahrt endlich mit sich ins reine und bei sich selbst angekommen sind.“

JF 41/10 vom 8. Oktober 2010

 

Martin van Creveld

International bekannter Militärtheoretiker und Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem (Jahrgang 1946)

„Tatsächlich führen die deutschen Truppen in Afghanistan weder Krieg, noch sichern sie den Frieden. Alles, was sie tun, ist, sich mit sich selbst zu beschäftigen, immer still betend, daß sie niemanden verärgern mögen, der dann am Ende auf sie schießen könnte.“

JF 34/09 vom 14. August 2009

 

Charlotte Knobloch

Von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland (Jahrgang 1932)

„Die Philosemiten sind für mich eine sehr gefährliche Gruppe, denn man kann sie nicht einschätzen, und sie bringen eine Thematik, die undurchsichtig ist.“

JF 42/00 vom 13. Oktober 2000

 

Ewald-Heinrich von Kleist

Letzter lebender Angehöriger des 20. Juli 1944, Begründer der Münchner Sicherheitskonferenz (Jahrgang 1922)

„Ich empfand das NS-Regime als unerträgliche Unrechtsherrschaft. Und ich hatte etwas, was heute zwar nicht mehr üblich ist, damals aber eine große Rolle spielte, nämlich ein großes Attachement an mein Volk und an mein Land. Zum einen fand ich es entsetzlich, was für Verbrechen im deutschen Namen verübt wurden. Das andere war, daß ich als Offizier im Kriege erlebt hatte, welch große Tragödie es ist, wenn Menschen sterben – noch dazu in einem sinnlosen und falschen Krieg. Das hat mich zutiefst beeindruckt, und es war klar, daß, wenn dieser Krieg weitergehen würde, noch unendlich viele Menschen würden sterben müssen. In der Tat starben vom Juli 1944 bis zum Mai 1945 mehr Menschen als in den dreieinhalb Kriegsjahren seit 1939 zuvor. Und mir war auch klar, daß auch die Zerstörung meines Landes weitergehen würde.“

JF 21/01 vom 18. Mai 2001

 

Jörg Schönbohm

Ehemaliger Innenminister, Vize-Ministerpräsident und CDU-Landeschef in Brandenburg, sowie Vorstandsmitglied der Bundespartei (Jahrgang 1937)

„Wir sollten nach allem, was wir seit dem Krieg und seit der Wende aufgebaut haben, endlich lernen, wieder unbefangen stolz auf unser Land sein zu können. Ich bringe das in meinen Reden auch stets zum Ausdruck. In den Schulen ist natürlich die Saat der 68er aufgegangen, aber ich weiß von Jugendlichen, die in den USA zu Besuch waren, wie sehr sie davon beeindruckt waren, wie dort alle morgens in der Schule mit großer Ernsthaftigkeit die Nationalhymne singen und wie selbstverständlich die Amerikaner mit dem Stolz auf ihr Land umgehen.“

JF 47/02 vom 15. November 2002

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