© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Aufgeschnappt
Stolperstein für die Karriere
Matthias Bäkermann

Frei von Schuld ist, wer Stolpersteine verlegen läßt. Bereits 27.000mal wurde deshalb der Berliner Künstler Gunter Demnig (JF 29/06) gerufen, um Messingplatten in den Gehsteig zur Erinnerung an dort wohnende NS-Opfer zu pflastern. Derart oft, daß das Finanzamt Köln ihm seit 2011 wegen offenkundiger Massenproduktion den  ermäßigten Steuersatz für urheberrechtlich geschützte Kunstwerke versagt.

Auch Hannover hatte Demnig bereits oft beehrt, so daß man dort am 20. Mai beschloß, die Richtlinie für das Verlegen von Stolpersteinen nun auch auf überlebende NS-Opfer auszudehnen. Kritik daran kam von CDU-Ratsherr Friedrich Wilhelm Busse, der im Kulturausschuß bemängelte, daß damit eine „erhebliche Ausdehnung der Opfergruppen“ bevorstünde: „Müßten dann nicht auch deutsche Soldaten, die unter Zwang eingezogen wurden, in Stalingrad kämpften und schwer traumatisiert zurückkehrten, einen Stolperstein bekommen?“, zitiert ihn die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Auch sie seien schließlich Opfer des Nationalsozialismus. Der Aufschrei eines Empörungskollektivs von Jüdischer Gemeinde bis zu den Grünen folgte unverzüglich. Auch Parteifreunde in der CDU-Ratsfraktion rückten von Busse ab, um sogleich zu besänftigten: Ein ungünstiger Listenplatz bei der kommenden Kommunalwahl werde Busses Zukunft im Rat wohl von selbst lösen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen