© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Frisch gepresst

Politische Theorie. Der Nimbus alter Konversationslexika schlug sich eindrücklich in der Logik jener vielzitierten fränkischen Hausfrau nieder, die da meinte, es werde „scho stimma, sonst dätens net schreiba“. Ein solches Urvertrauen zum geschriebenen Wort, zu Handbüchern und Lexika zumal, ist heute Geschichte. Dabei war es eigentlich nie gerechtfertigt, da seit dem 19. Jahrhundert jede Ausgabe der Brockhaus, Meyer und Pierer nicht nur „objektiv“ informieren, sondern immer auch Weltanschauung transportieren und Meinungen modellieren wollte. So wie das Handbuch „Politische Theorie“ des Luzerner Philosophen Martin Hartmann und des Berliner Politikwissenschaftlers und Habermas-Compañeros Claus Offe. Das ist bei der Auswahl der Stichwörter ebenso zu spüren wie bei der wertenden Abfassung der meisten Beiträge. Etwa zu Islam, wo der Fundamentalismus ausgespart bleibt. Oder zu Katholizismus, dem die Verfasserin die Aufgabe zudiktiert, das „interkulturelle Gespräch“ zu suchen. Und der Artikel Völkerrecht wäre besser in einem Werbetext der Vereinten Nationen aufgehoben. (wm)

Martin Hartmann, Claus Offe (Hrsg.): Politische Theorie und Politische Philosophie. Ein Handbuch. C. H. Beck Verlag, München 2011, 348 Seiten, broschiert, 14,95 Euro

 

Radikale Rechte. Der an der Universität Hamburg lehrende Soziologe Stefan Breuer hat im Bändchen zur Ideengeschichte der deutschen radikalen Rechten nach 1871 eine Neufassung seines 1999 veröffentlichten Überblicks über „Grundpositionen der deutschen Rechten“ veröffentlicht. Die umgearbeitete Version habe er nutzen wollen, um den Schwerpunkt von den vielschichtigen Ideen des Nationalismus, Futurismus, Konservativismus und völkischen Nationalsozialismus mehr auf ihre soziale Resonanz in Vereinen, Parteien und Verbänden zu legen. Daher mußte er einige Kürzungen der alten Fassung vornehmen, denen die Kapitel über die Kriegsideologie von 1914 und den „Fundamentalismus in der Weimarer Republik“ zum Opfer fielen. Das führte nicht nur zur eingestandenen „Einbuße an historischer Breite“. Auch die versprochene sozialhistorisch unterfütterte „Konzentration auf die wirkungsmächtigsten Faktoren“ will nicht gelingen. Statt dessen dominiert der sattsam bekannte ahistorische Soziologismus Breuers. (lm)

Stefan Breuer: Die radikale Rechte in Deutschland 1871–1945. Eine politische Ideengeschichte. Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 2011, broschiert, 292 Seiten, 6,60 Euro

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