© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Der freie Geist weht, wo er will
Meinungsfreiheit ist nicht teilbar: Der Autor eines Buches über Le Pen sorgt in Frankreich für Wirbel
Alain de Benoist

Die Kampagnen gegen die „politisch Unkorrekten“ reißen nicht ab. Das neueste Opfer heißt Robert Ménard, Gründer der Organisation Reporter ohne Grenzen, dessen Anfang Mai erschienenes Buch „Vive Le Pen!“ prompt einen Skandal auslöste. Dabei ist das Werk – seinem Titel zum Trotz – keineswegs eine Apologie des Front National. Es ist lediglich ein Plädoyer für die Meinungsfreiheit, die, wie Ménard zu Recht sagt, grundsätzlich und zuallererst für Meinungen gelten muß, die man selber nicht teilt.

Ménard ist ein freier Geist, der auch beruflich seinen eigenen, eigenwilligen Weg eingeschlagen hat. Geboren wurde er 1953 im algerischen Oran, wo die Familie seit 1850 lebte. Sein Vater, Drucker von Beruf, war Kommunist – und leidenschaftlicher Anhänger der französischen Kolonialherrschaft, bis hin zur Unterstützung der Untergrundorganisation OAS. 1962 verließen die Ménards wie die Mehrheit der pieds-noirs das Land und siedelten nach Südfrankreich um.

Nachdem seine Mutter ihm das Vorhaben ausgeredet hatte, Priester zu werden, schloß sich der junge Robert während seines Studiums in Montpellier erst den Anarchisten, dann den Trotzkisten an. Sechs Jahre lang gehörte er der Revolutionären Kommunistischen Liga (LCR) an, um dann der Sozialistischen Partei beizutreten. Zugleich begann er sich als Journalist einen Namen zu machen, gründete eine kostenlose Zeitung und 1978 einen der ersten „freien Radiosender“ in Frankreich, Radio Pomarède. 1983 ging er zu Radio-France.

Nach dem Vorbild der Organisation Ärzte ohne Grenzen, die damals von Rony Brauman geleitet wurde, rief er im Juni 1985 einen Verein ins Leben, der sich den Schutz der Rechte von Journalisten überall in der Welt auf die Fahnen schrieb. Seine Initiative fand ungemeine Resonanz und verfügt mittlerweile über ein Budget in Höhe von etwa vier Millionen Euro. Ménard amtierte bis 2008 als Generalsekretär.

Seit über 25 Jahren setzt sich Reporter ohne Grenzen für verfolgte und inhaftierte Journalisten auf der ganzen Welt ein, veröffentlicht einen Jahresbericht und Tausende von Pressemitteilungen und Kommuniqués, um auf Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit aufmerksam zu machen. Das hat der Organisation viel Unterstützung eingebracht, aber auch Kritik seitens derjenigen, die ihr vorwerfen, auf dem einen Auge blind zu sein – nämlich gegenüber Einschränkungen der Pressefreiheit in westlichen Ländern – und statt dessen nur die Dritte Welt ins Visier zu nehmen.

Unter anderem dreht man Ménard einen Strick daraus, finanzielle Unterstützung vom National Endowment for Democracy angenommen zu haben. Diese Institution wurde 1983 von Ronald Reagan zu dem Zweck gegründet, in aller Öffentlichkeit Propagandaaktionen durchzuführen, wie sie die CIA seit Jahrzehnten heimlich durchführte. Mit anderen Worten, Ménard soll sich indirekt von den US-Geheimdiensten sponsern lassen.

Tatsächlich hat Reporter ohne Grenzen sein Augenmerk vor allem auf Länder wie Kuba, Venezuela, Algerien, den Iran oder Syrien gerichtet. Ein Höhepunkt in der Geschichte der Organisation war die weltweite Boykottkampagne gegen die Olympischen Spiele in Peking. Am 24. März 2008 wurde Ménard im griechischen Ort Olympia verhaftet, nachdem er versucht hatte, die Feierlichkeiten zum Anzünden der Olympischen Flamme zu stören. Später organisierte er Protestkundgebungen, als die Flamme durch Paris getragen wurde. Sympathisanten entrollten Banner, auf denen die Olympischen Ringe zu Handschellen verfremdet waren.

Wenig später trat Ménard sein Amt als Generalsekretär an Jean-François Julliard ab. Im November 2008 übernahm er die Leitung eines Beratungszentrums für Journalisten in Katar, das der ölreiche Staat jährlich mit drei Millionen Dollar subventioniert. Im Verwaltungsrat sitzen der brasilianische Schriftsteller Paolo Coelho und der französische Ex-Außenminister Dominique de Villepin.

Ménard hat sich stets der Verteidigung der Meinungsfreiheit verschrieben, und zwar mit Herz und Seele und vollkommen uneingeschränkt. Bereits 2003 veröffentlichte er zusammen mit seiner Frau Emmanuelle Duverger, die als Juristin für den Internationalen Bund der Menschenrechtsligen arbeitet, ein Buch über die „Zensur der Gutmenschen“. Wegen der darin geäußerten Kritik am „loi Gayssot“, das historischen „Revisionismus“ unter Strafe stellt, mußte er sich gefallen lassen, daß der Rechtsanwalt Arno Klarsfeld ihn bei einer Fernseh-Talkshow mit einem Wasserglas bewarf. Seit dem Rücktritt von seinen Verpflichtungen bei Reporter ohne Grenzen hat Ménard die Zeit genutzt, um die Zeitschrift Médias und den Mordicus-Verlag zu gründen. Nicht nur in den Printmedien, sondern auch im Radio und Fernsehen meldet er sich regelmäßig zu Wort. Bis Juli 2010 hatte er sogar eine eigene Sendung („Ménard sans interdit“).

In letzter Zeit hat er immer wieder Positionen bezogen, die ihm viel Kritik und Entrüstung seitens zahlreicher früherer Freunde und Verbündeter eingebracht haben: von der Befürwortung der Todesstrafe in bestimmten Fällen über die Verurteilung des französischen Einsatzes in Afghanistan bis hin zu der Aussage, daß er nicht begeistert wäre, wenn seine Kinder homosexuell wären. Er spricht sich für einen Einwanderungsstopp aus und bezeichnet das Burka-Verbot als „Dummheit“. Und schließlich empört er sich darüber, daß der Front National nicht im Parlament vertreten ist, obwohl er 15 bis 20 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereint. „Ich stimme in gewissen Punkten der Analyse von Marine Le Pen zu“, bekundete er im März. Es sei nicht hinzunehmen, daß die politische Klasse „die FN-Wähler wie geistig verwirrte Idioten“ behandle. Solche Äußerungen durften selbstverständlich nicht ungestraft bleiben.

Den Aufruhr um sein neues Buch kommentiert Ménard mit den Worten: „Es geht nicht darum, Le Pen zu verteidigen – weder den Vater noch die Tochter –, sondern die Hetzjagd auf alles und alle zu verdammen, die angeblich Sympathien oder Interesse für Analysen bekunden, die idiotischerweise als ‘faschistisch’ bezeichnet werden.“ Für Ménard ist die Meinungsfreiheit unteilbar. Daß er das sagt, daß er es immer wieder sagt und sich den Mund nicht verbieten läßt – das ist es, was man ihm nicht verzeiht.

 

Alain de Benoist, französischer Philosoph und Publizist, ist Herausgeber der Zeitschriften „Nouvelle École“ und „Krisis“.

Foto: Robert Ménard anläßlich der Verleihung des Sacharow-Preises für Geistige Freiheit 2005 an Reporter ohne Grenzen; FN-Chefin Marine Le Pen bei einer Rede in Paris am 1. Mai 2011: „Die Hetzjagd auf alle verdammen, die idiotischerweise als ‘faschistisch’ bezeichnet werden“

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