© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/11 27. Mai 2011

Väter-Picknick als Stolperstein
Niedersachsen: Der Stadtrat von Goslar beruft die Gleichstellungsbeauftragte ab, weil sie sich auch für Männer einsetzte
Birgit Kelle

Die kleine Stadt Goslar hat sich vergangene Woche in einer Sondersitzung des Stadtrates ihrer Gleichstellungsbeauftragten entledigt. Hatte sie gegen Gesetze verstoßen? Nein. Hat sie sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht? Nein. Hat man sie dienstlich abgemahnt? Auch nicht. Nein, Frau Monika Ebeling, hauptamtliche Kindergartenleiterin und Gleichstellungsbeauftragte, hat in den Augen des Stadtrates etwas viel Schlimmeres gemacht: Sie hat ihre Aufgabe ernstgenommen und sich im Sinne des Gesetzes als Gleichstellungsbeauftragte für beide Geschlechter eingesetzt. Also für Frauen und Männer. Das geht nun wirklich nicht, entschied die Mehrheit im Stadtrat.

Es heißt ja eigentlich Gleichstellungsbeauftragte und nicht Frauenbeauftragte. So hatte sie gedacht und so werden auch viele Bürger fragen, wo denn der Sinn darin liegt, daß die ehemaligen Frauenbeauftragten im Land jetzt Gleichstellungsbeauftragte heißen, wenn sie dann doch nur für Frauen zuständig sind? Alles nur Augenwischerei? In Goslar hat man an ihr jedenfalls ein feministisches Exempel statuiert.

Schaut man die gesetzlichen Vorgaben an, so steht Frau Ebeling auf der richtigen Seite. Seltsam nur, daß die Fraktion der Linkspartei in Goslar, die Grünen, die FDP und auch die SPD, bei der Frau Ebeling Mitglied ist, es offenbar versäumt haben, nachzuschlagen, bevor sie im Stadtrat gegen sie stimmten. Oder es ist ihnen einfach egal. Gilt doch in Goslar noch das ungeschriebene Gesetz, daß Gleichstellungsarbeit einfach nur Frauenarbeit bedeutet. Und auch das andere ungeschriebene Gesetz, wonach nur Frauen benachteiligt sind und Männer nie Opfer, sondern immer nur Täter sind.

Gesetzlich ist die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten ein weites Feld mit vielen blumigen und allgemeinen, aber keinen konkreten Vorgaben. Dazu kommen verschiedene rechtliche Instanzen, die alle in den Bereich eingreifen. Im Fall Goslar die Niedersächsische Gemeindeordnung, das Bundesgleichstellungsgesetz, der Amsterdamer Vertrag der EU aus dem Jahr 1999 und auch das Familienministerium unter Kristina Schröder, sozusagen als oberste Gleichstellungshüterin der Bundesrepublik. Was jedenfalls alle eint, ist das Prinzip des „Gender Mainstreaming“, dem man sich verschrieben hat und das laut Amsterdamer Vertrag alle Mitgliedsstaaten der EU bindet. Demnach soll es „die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern und die Auswirkungen auf beide Geschlechter berücksichtigen“. Wie und wo und in welchem Ausmaß, wird nirgendwo konkretisiert. Im Gegenteil. „Ich war in meiner Arbeit vertraglich und explizit nicht weisungsgebunden“, sagt Frau Ebeling. Sprich: Sie sollte sich ihr Aufgabenfeld und ihre Tätigkeit nach persönlicher Einschätzung des Bedarfs frei wählen. Das hat sie getan. Doch allein schon der Hinweis auf ein Väternotruf-Telefon auf ihrer Internetseite oder auch die Organisation eines Väter-Picknicks für Männer in Elternzeit – also die Väter, die man gerade im Bundesfamilienministerium immer gerne lobend erwähnt – waren den feministischen Kräften vor Ort bereits zuviel Männerarbeit.

Es bleibt zu hoffen, daß der Fall endlich die Verantwortlichen in der Politik wach rüttelt und erkennen läßt, daß Handlungsbedarf besteht bei der Definition dieses Arbeitsfeldes. Laut Auskunft der Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbüros und Gleichstellungsbeauftragten (BAG) gibt es 821 hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte deutschlandweit. Dazu kommen ehrenamtlich Tätige, Beauftrage in Schulen, in Vereinen, in Institutionen, in Unternehmen. Die genaue Zahl kann niemand nennen. In Niedersachsen muß etwa jede Gemeinde so eine Stelle einrichten je nach Größe haupt- oder ehrenamtlich, in Nordrhein-Westfalen jede Gemeinde ab 10.000 Einwohnern eine hauptamtliche Stelle – unabhängig davon, ob überhaupt Bedarf besteht, sondern einfach aus Prinzip. Um so wichtiger, endlich klar zu definieren, was diese öffentlichen Stellen, die wir alle über unsere Steuern finanzieren, leisten oder bewirken sollen. Es gibt keine Zielvorgaben, kein Tätigkeitsfeld und keine Leistungskontrolle. Für Quotenfreunde noch der Hinweis: Unter den 821 Beauftragten gibt es nur zwei Männer.

 

Birgit Kelle ist Journalistin, Mutter, Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus und Mitglied der New Women for Europe

Foto: Goslars Ex-Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling:  „Ich war explizit nicht weisungsgebunden“

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