© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Spur der Steine
Das Berliner Schloß wächst: vorerst als Modell / Ab Juni meißeln die Steinmetze in der Bauhütte
Christian Schwiesselmann

Das Berliner Stadtschloß ist im Bau. Vorerst besteht es aus 300.000 Legosteinen und ist mit zwei Metern Breite, drei Metern Länge und 1,50 Metern Höhe um das 60fache verkleinert. Wofür der Modellbauer Pascal Lenhard im Berliner Legoland am Potsdamer Platz mehrere Monate braucht, könnte in der Realität wohl noch Jahre dauern. Der Beschluß der Bundesregierung, wegen der Eurokrise den Baubeginn auf 2014 zu verschieben, dämpfte die Euphorie der Schloßbefürworter.

Davon unbeeindruckt zeigt sich der Hamburger Förderverein Berliner Schloß e. V.: „Wir sind im Kostenplan. Wir bleiben im Zeitplan“, beruhigt der Geschäftsführer Wilhelm von Boddien in einem Schreiben seine Spender. Gemeinsam mit dem Vereinsvorsitzenden Richard Schröder  trommelt der gebürtige Pommer aus einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht für den Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses. Sein Ziel ist es, die historischen Fassaden der Hauptresidenz der Preußen-Dynastie schon 2017 fertigzustellen.

Größte Hoffnungen setzt Boddien in seinen Chefbildhauer Matthias Körner. Dieser modelliert in seinem Atelier im Berliner Bezirk Wedding viele Einzelobjekte der Schloßfassade – von Zierelementen wie Girlanden, Wappenschildern und Widderköpfen bis hin zu Kolossalfiguren wie der Borussia. Der  Künstler, der schon zu DDR-Zeiten an den Rekonstruktionen Ost-Berlins beteiligt war, möchte die Geschichte zum Sprechen bringen: „Man muß sehr präzise auf die untergegangene Welt, ihre Formen und ihren Stil eingehen. Ich möchte schon, daß in den mehreren tausend Objekten, die am Ende fertig sein müssen, der Geist der alten Zeit zu sehen und zu spüren ist“, erklärte er in einem Interview mit der Epoch Times Deutschland.

Der Preußenstuck des 1443 von Kurfürst Friedrich II. errichteten Bauwerkes war vom italienischen Barock inspiriert. Andreas Schlüter hatte die römischen Paläste seiner Zeit vor Augen, als er 1699 damit begann, das alte Renaissanceschloß der Hohenzollernfürsten umzugestalten. Zuvor hatte der Schloßbaumeister das Zeughaus im gleichen Stile vollendet. Seine heutigen Nachfolger können dadurch im wörtlichen Sinne Maß nehmen.

Was Körner zunächst in Ton formt und dann in Gips gießt, das müssen die Steinmetze später eins zu eins in Sandstein hauen. Der Zeitplan dafür ist eng. Bereits im Juni 2011 soll eine Bauhütte in Spandau erste Fassadenteile restaurieren. Wilhelm von Boddien verspricht sich einen Schub vom Ausbau der Berliner U-Bahnlinie U5: „Schloßfundamente und der Tunnelbau dafür müssen synchron gebaut werden, sonst drohen Mehrkosten allein im Fundamentbereich von 30 Millionen.“

Um die Wunde im Berliner Stadtzentrum zu schließen, die der SED-Staat bei der Sprengung des Schlosses 1950 geschlagen hatte, müssen freilich mehr als die vom Förderverein avisierten 80 Millionen Euro für die Wiederherstellung der historischen Fassaden aufgetrieben werden. Das Bundesbauministerium geht von mehr als einer halben Milliarde Euro aus, die das geplante Humboldtforum kosten wird.

Wem das zuviel Geld ist, der kann das Schloß auch günstiger haben. Die Gesellschaft Berliner Schloß e. V. bietet im Internet einen Bastelbogen an, der nur 20 Euro kostet. Fünf Euro davon kommen direkt dem Wiederaufbau zugute. www.historisches-stadtschloss.de

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