© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Menschenrechte für Delphine und Affen
Die US-Tierschutzbewegung erobert die Hochschulen / Juristen streiten um die Frage „Haben Tiere Rechte?“
Bruno Möller

Eine Frage, die mit Blick auf den international gut ausgebauten Natur- und Tierschutz scheinbar leicht zu bejahen ist. Und doch befindet sich der juristische Laie dabei im Irrtum. Denn aus dem Schutzstatus folgt nicht, daß Tiere als Rechtssubjekte auch einen Anspruch haben, den sie gerichtlich einklagen könnten. Daher mußte der US-Anwalt Steven Wise seinen für den Delphin Kama angestrengten Prozeß verlieren, bei dem es um Kamas „Einberufung“ in die lebensgefährlichen Dienste der US-Marine ging.

Delphine, so belehrte ihn der Richter, seien keine „Personen“ im Sinne des Gesetzes und dürften daher auch nicht mittels selbsternannter Stellvertreter wie Wise klagen. Für den Tierfreund aus Florida ist das Kama-Urteil nur ein verlorenes Scharmützel in einem Feldzug, den er spätestens 2013 siegreich zu beenden hofft. Wise ist der Gründer der Nonhuman-Rights-Bewegung (NHR), die Menschenrechte für Tiere reklamiert und die in den USA an Zulauf gewinnt.

Die NHR-Aktivisten erwarten, daß spätestens 2013 neurowissenschaftliche und ethologische Forschungsergebnisse den Gesetzgeber dazu bewegen werden, höheren Tieren wie Walen und Primaten die bislang nur dem Menschen vorbehaltene Rechtsqualität einer „Person“ zuzuerkennen, da sie über Schmerzempfinden, soziale Gefühle und ein rudimentäres Selbstbewußtsein verfügten, vergleichbar Kleinstkindern oder Koma-Patienten (Nature vom 1. April).

Wises Kampagne ist nur die radikalste Ausprägung eines tierschützerisch engagierten Enthusiasmus, der inzwischen auch das US-Hochschulsystem erfaßt hat. So boten bis zum Jahr 2000 nur eine Handvoll unbedeutender Law Schools Kurse im Tierrecht an. 2011 sind es bereits 120, unter denen sich auch Elite-Unis wie Stanford, Harvard oder Columbia befinden.

Für die Anschubfinanzierung sorgte in einigen Fällen eine Millionenspende der TV-Größe Bob Barker, eines Veteranen der einst in der Sektiererecke agierenden, heute politisch einflußreichen US-Tierschutzlobby. Auf diese bescheidenen Anfänge in den 1970ern kann auch der Animal Legal Defense Fund (ALDF) zurückblicken, der mächtigste Verband, der derzeit an 155 von 200 Rechtsschulen Ortsgruppen etabliert hat, die darauf dringen, das Lehrangebot im Tierrecht stetig zu erweitern.

2008 beschloß die Vereinigung der American Law Schools, eine Sektion zu gründen, um den Studiengang Tierrecht zu fördern und berufliche Perspektiven für Absolventen aufzuzeigen, die sich auf dieses Fach konzentrieren. Ohne auf Wises extreme Strategie verfallen zu müssen, für seine Schützlinge ein „persönliches“ Klagerecht zu beanspruchen, machte der ALDF 2010 international Furore, als es ihm glückte, die bestehenden Naturschutzgesetze im Interesse von Meeresschildkröten voll auszuschöpfen, so daß der Ölkonzern BP um dieser schönen Tiere willen seine „Probebohrungen“ im Golf von Mexiko einstellen mußte.

Augenblicklich macht der Fund für eine Petition an den US-Kongreß mobil, um den gesetzlichen Schutz von Labortieren auszuweiten. Hier kann sich die sieggewohnte Organisation allerdings nicht mehr der vollen Unterstützung der dank ihrer Initiative nach jedem Examen dichter werdenden Reihen der Spezialisten für Tierrecht sicher sein. So verteidigt der Tierrechtler Richard Cupp (Malibu Law School) Interessen der Pharmaindustrie, wenn er gegen die Fund-Petition wettert, Forschung an Versuchstieren diene schließlich den immer noch höherwertigeren Menschenrechten auf Leben und Gesundheit.

Foto: Schimpanse im Zoo: Neue Forschungsergebnisse könnten den Gesetzgeber dazu bewegen, höheren Tieren die dem Menschen vorbehaltene Rechtsqualität einer „Person“ zuzuerkennen

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