© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

„Nicht die Umwelt ist gefährdet, sondern die Freiheit“
Europaskepsis, Globalisierungskritik und böser „Ökologismus“: Der tschechische Präsident eckt mit seinem aktuellen Buch an
Klaus Peter Krause

Auf deutsch hat Václav Klaus bisher drei Bücher herausgebracht. Im ersten von 1995 sind seine Reden der Jahre 1993 bis 1995 zusammengestellt. Es trägt den Titel „Tschechische Transformation und europäische Integration“. Im zweiten mit dem Titel „Blauer Planet in grünen Fesseln“ von 2007 befaßt er sich politisch gegen den Strich gebürstet mit der Hysterie um das anthropogene CO2 als vorgeblichem Klimakiller und Verursacher globaler Erwärmung (JF 3/08). Das nun vorliegende dritte ist wieder ein Sammelband mit Reden, Vorträgen und Textbeiträgen von Klaus aus der Zeit von 2005 bis 2010.

Der Buchtitel „Europa“ ist mit einem Fragezeichen versehen. Dessen offenkundiger Sinn: Europa, die Europäische Union, ist für Klaus nicht so, wie es sein sollte: „Obwohl es manche Politiker und Journalisten anders sagen, ich habe nie behauptet, daß ich die positiven Ergebnisse der europäischen Integration nicht sehe und wahrnehme. Gleichzeitig kann ich aber nicht einige Tendenzen, Pläne und Projekte ignorieren und diese anders als kritisch ansehen. (...) Über das demokratische Defizit der heutigen EU zu sprechen, ist keine Negation von fünfzig Jahren Integration. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß wir mehr Integration und weniger Unifikation brauchen, mehr horizontale Kooperation der Länder und weniger vertikale Regulierung, Harmonisierung und Standardisierung, mehr Institutionen der Nationalstaaten und weniger EU-Institutionen in Brüssel. Kurz: daß wir mehr Demokratie als Postdemokratie brauchen.“

Im Vorwort schreibt Roman Herzog. „Er ist sowohl ein glänzender Wissenschaftler als auch ein profilierter Politiker aus den höchsten Rängen seines Landes. In beiden Eigenschaften ist er dafür bekannt, daß er die Dinge, die ihn beschäftigen, ja, umtreiben, fast gnadenlos auf den Punkt bringt. Von einem Wissenschaftler kann man das füglich erwarten, so wird Wissenschaft seit Jahrhunderten betrieben und immer weitergeführt. Die Politik macht es sich da wesentlich leichter. Zugespitzte Fragen werden von ihr kaum je bejaht oder verneint, sondern sie verschwinden meist sehr rasch hinter einem Nebel der Entrüstung und Empörung, der weiteres Nachdenken vermeintlich überflüssig macht.“

Gegliedert ist das leicht verständlich geschriebene Buch in drei Themenbereiche: Politik, Wirtschaft, Ismen. Der erste befaßt sich ausschließlich mit Europa, seiner Integration und der Vereinheitlichung. Nach dem Ende des Kommunismus und der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformation vom Kommunismus zur parlamentarischen Demokratie und Marktwirtschaft sei das nun das Kernthema. Hier finden sich unter anderem sein „Nein zur europäischen Verfassung“ von 2007, sein Auftritt vor dem Verfassungsgericht in Brünn über den Vertrag von Lissabon (2008), seine Passauer Rede „Gibt es eine gemeinsame Idee Europas?“ (2009) sowie seine Humboldt-Rede in Berlin „Kritik der heutigen Form der europäischen Integration“ (2010).

Das zweite Kapitel enthalte laut Klaus „die Analyse der gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme, die ich als Professor der Volkswirtschaftslehre mein ganzes Leben lang studiere. Es ist die Sicht eines liberalen Ökonomen mit der Hayek-Mises-Perspektive, der über die heutige europäische Untergrabung verzweifelt ist.“ Man liest, was er zur Globalisierung meint, die er lieber Internationalisierung nennt, was er vom langfristigen Funktionieren der Euro-Währung hält und welche Zukunft die Euro-Zone hat. Als Liberaler, der neben anderen Ehrungen auch den internationalen Hayek-Preis bekommen hat, ist Klaus in Sorge um die Freiheit und verlangt gerade jetzt: Mehr Freiheit. Ebenso als Liberaler beschwört er die Gefahr des aggressiven Keynesianismus der zweiten Generation.

Mit den „Ismen“ der heutigen Zeit im dritten Teil meint Klaus solche Irrwege wie den „Sozialdemokratismus, Europäismus, Ökologismus, Klima-Alarmismus“ mit ihrem „Drang zum Regieren von oben herab“. Unter Klima-Wahrheiten schreibt er: „Nicht die Umwelt ist gefährdet, sondern die Freiheit.“ Für sie sieht er drei Bedrohungen: den Kommunismus, den Europäismus und den „Environmentalismus“, eine Ideologie, die über den Naturschutz spreche, die aber dieses beliebte Thema als einen Umweg für die radikale Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft mißbrauche. Der Klima-Alarmismus sei einzustellen, fordert er. Auch in seiner Rede vor der Uno-Konferenz zum Klimawandel hat er 2007 in New York vor der auf voreiligen Feststellungen zu den Ursachen fußenden Politik gewarnt sowie konkrete Vorschläge gemacht.

Das gemeinsame Ganze aller Beiträge ist Klaus’ Dringen auf Freiheit und sein Drängen auf Abwehr der Versuche, sie immer weiter einzuschränken. Was er zu sagen hat, ist frei heraus gesprochen, nie langatmig, zielt stets auf den Kern und ist so klar und schlicht wie erfrischend formuliert. Eine Stimme wie die seine ist notwendig. Das macht sie politisch nicht beliebt. Aber beliebte Stimmen haben wir schon mehr als genug.

Václav Klaus: Europa? Ausgewählte Reden, Vorträge und Texte des Präsidenten der Tschechischen Republik 2005–2010. Context Verlag, Augsburg 2011, gebunden, 178 Seiten, 24,80 Euro

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