© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Teurer Durchhaltebefehl
Euro-Krise: Griechenland kommt trotz Spar-Etat nicht aus seinem De­ zit heraus / Dauersubvention in Aussicht
Bernd-Thomas Ramb

Als einmaliger Sonderfall wurde vor einem Jahr das finanzielle Rettungspaket für das zahlungsunfähige Griechenland bezeichnet. Allerdings definierte Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Maßnahme auch als „alternativlos“. 110 Milliarden Euro stellten die EU, die hastig gegründete Euro-Hilfsorganisation namens Europäischer Stabilisierungsmechanismus (ESM, besser bekannt als „Euro-Rettungsschirm“) und der Internationale Währungsfonds (IWF) den Griechen als Nothilfe zur Verfügung. Deutschland ist daran mit 22,4 Milliarden beteiligt, der Zahlungsanteil an den IWF-Krediten ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Die Griechenlandhilfe war mit strengen Auflagen an die griechische Finanzpolitik verbunden. Zum einen sollten die Steuereinnahmen erhöht und dazu als Sofortmaßnahme mehrere Steuersätze heraufgesetzt werden: Die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent, Steuern auf Tabak, Alkohol und Benzin wurden erhöht und eine einmalige Steuer für besonders rentable Unternehmen sowie eine Vermögenssteuer angekündigt. Vor allem aber sollten die Steuern konsequenter eingezogen und die Steuerhinterziehung energischer bekämpft werden. Inwieweit insbesondere die letztere Absicht auch von der griechischen Regierung tatsächlich vollzogen wurde, läßt sich angesichts der bekannten Schwächen der griechischen Staatsstatistiker nur schwer beurteilen.

Der zweite Teil der mit der Kredithilfe verknüpften Auflagen bezog sich auf die Senkung der Staatsausgaben: Beihilfen und Bonuszahlungen im Öffentlichen Dienst, die fünfzehnte, vierzehnte, ja sogar die dreizehnte Monatszahlung sollten beseitigt, Frühpensionierungen stark eingeschränkt, das Rentenalter herauf- und die Rentenhöhe herabgesetzt werden. In welchem Umfang diese Vorhaben tatsächlich verwirklicht sind, muß schon deshalb fraglich bleiben, weil damit Gesetzesänderungen verbunden sind, denen Klagemöglichkeiten der Betroffenen entgegenstehen. Gleiches gilt für die dritte Komponente zur Verbesserung der Bilanz des griechischen Staatshaushalts: Verkauf von Staatseigentum.

Nach Angaben des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou stehen den 340 Milliarden Euro Staatsschulden (Stand 2010) staatliche Vermögenswerte in einer Gesamthöhe von 270 Milliarden Euro gegenüber. Davon sollen in den nächsten fünf Jahren zirka 50 Milliarden durch Verkauf oder – wie der sozialistische Politiker formulierte – „bessere Nutzung“ dem Staatshaushalt zugeführt werden. Die kühne Absicht kämpft gegen Hindernisse. Beispielsweise ist der Verkauf staatlicher Unternehmen geplant, die von den mächtigen und streikfreudigen Gewerkschaften kontrolliert werden. Welcher Privatinvestor traut sich, dort einzusteigen? Weiterhin ist der Verkauf staatlicher Immobilien durch ungeklärte Besitzansprüche blockiert. Wer kauft Liegenschaften, wenn gegen deren Erwerb geklagt wird?

Und wer übernimmt überhaupt griechische Vermögenswerte, wenn diese Transaktionen den massiven Unmut der griechischen Bevölkerung hervorrufen? Auf erbitterten Widerstand treffen die Vorhaben der Regierung zur Haushaltssanierung generell, seien es die Bemühungen, die Steuereinnahmen zu erhöhen, seien es die Absichten, gewohnte Pfründe insbesondere der Staatsdiener zu schmälern. Angesichts der Streiks und der gewaltsamen Demonstrationen in Athen werten die griechischen Staatsführer das Lamentieren europäischer Politiker über die mangelhafte Verwirklichung der versprochenen Auflagen als das kleinere Übel.

Warum sollte auch die für die Griechen unangenehme Sparpolitik verwirklicht werden, wenn die Alternative – die weitere Finanzierung der Deckungslücke des Staatshaushalts durch weitere Kreditaufnahme bei den anderen Euro-Ländern – leichter zu haben ist. Zumal selbst bei den Geberländern Vertreter einer dauerkeynesianischen Wirtschaftspolitik davor warnen, Griechenland dürfe sich nicht „kaputtsparen“. Die Forderung nach einer erneuten Kredithilfe in Höhe von 60 Milliarden Euro ist systemlogisch konsequent, sowohl aufgrund der Gewöhnung der griechischen Bevölkerung an das Rauschgift Haushaltsdefizit, als auch angesichts der offiziellen Beteuerung der Euroländer, Griechenland dürfe nicht im Stich gelassen werden, sein Ausscheiden aus der Währungsunion sei inakzeptabel.

Die Aufrechterhaltung der Durchhalteparole ist eine breite Basis für extreme Spekulationsgewinne, sowohl auf den Finanzmärkten wie auch für die Exportfirmen. Jede Begrenzung der staatlichen Kredithilfen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms unterhalb des maximalen Finanzierungsbedarfs Griechenlands sorgt für einen Zinsanstieg der griechischen Staatsanleihen, die auf dem freien Markt angeboten werden. Die Spekulanten wetten darauf, daß die ebenfalls scharf zurückgewiesene Gefahr einer Abwertung der griechischen Staatsanleihen tatsächlich gebannt bleibt.

Die vermögenderen Griechen, wohlwissend daß diese Politik nicht ewig anhalten kann, werden dagegen ihre Rücklagen in ausländischen, vor allem deutschen Staatsanleihen anlegen oder hochwertige, insbesondere deutsche Luxusgüter kaufen – möglichst kreditfinanziert zu Lasten der griechischen Banken, deren Erhalt durch die griechische Nationalbank gesichert ist, deren Rettung wiederum von den Euroländern als „alternativlos“ definiert wird. Der Dumme bei diesem Finanzroulette ist der Finanzier der griechischen Dauersubvention, überwiegend der deutsche Steuerzahler.

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