© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Der Islamunterricht als Deutschkurs
Integration: Chancen und Grenzen des Religionsunterrichts
Ekkehard Schultz

Der Islamunterricht an den Schulen ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Immer mehr Bundesländer bereiten ein flächendeckendes Angebot für Kinder aus muslimischen Familien vor (JF 14/11). Dabei sind noch längst nicht alle Probleme geklärt, vor allem nicht die rechtlichen. Denn ein Ansprechpartner des Staates, der vergleichbar mit der evangelischen oder der katholischen Kirche wäre, ist bei den Muslimen nicht vorhanden. Zudem stellt sich die grundsätzliche Frage, in welcher Weise ein solcher Unterricht die Integration der Migranten in die deutsche Gesellschaft tatsächlich fördern kann. Trägt der Islamunterricht letztlich sogar dazu bei, die existierenden Gräben sogar noch weiter zu vergrößern?

Mit diesen Fragen setzten sich in der vergangenen Woche in Potsdam auf Einladung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auseinander.  Der Osnabrück Islamwissenschaftler Rauf Ceylan referierte dabei erstaunlich Ergebnisse zu Bedeutung des Islams für die Muslime in Deutschland. Laut Ceylan sei inzwischen gut dokumentiert, daß die meisten Zuwanderer aus islamischen Staaten in ihrer ursprünglichen Heimat nur eine oberflächliche religiöse Prägung erfahren hätten. Erst während ihres Aufenthalts in Deutschland beginne für viele der Islam eine immer größere Rolle zu spielen. Dies sei vor allem auf die Suche nach den eigenen Wurzeln, aber auch die engen gesellschaftlichen Beziehungen innerhalb der Einwanderergruppen zurückzuführen.

Um so wichtiger sei es, diese Heranführung an die Religion nicht länger nur ausländischen Imamen zu überlassen, da von diesen bestenfalls die Vermittlung von Grundlagen, jedoch keine Auseinandersetzung mit kritischen Traditionen des Islams zu erwarten sei, sagte Ceylan. Eine solche Hinterfragung, mit der sich zugleich auch viele Bedenken der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber dem Islam ausräumen ließen, sei nur bei einem Religionsunterricht an den staatlichen Schulen möglich. Zudem werde ein solcher Unterricht von den meisten Eltern  muslimischer Kinder durchaus akzeptiert, berichtete der Islamwissenschaftler. Ein großes Problem bestehe im Augenblick allerdings darin, die dafür geeigneten Lehrer zu finden.

Nach Ansicht des integrationspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Serkan Tören, würde von dem Angebot eines flächendeckenden Religionsunterrichts ein wichtiges Signal ausgehen. So sei es nachweisbar, daß die deutschsprachige Vermittlung des Islam bei den Schülern mit einer generellen Verbesserung der Deutschkenntnisse einhergehe. Grundsätzlich müsse Deutschland im Hinblick auf die Gestaltung des Unterrichts allerdings sein eigenes Modell entwickeln, forderte Tören. Denn eine Einigung in dieser Frage auf der europäischen Ebene sei aufgrund der großen Unterschiede im Verhältnis zwischen Religion und Staat nicht in Sicht.

Der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert, verwies auf eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, die belege, daß sich religiös engagierte Bürger auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen stärker engagieren. Dieses Potential gelte es in Zukunft in einem weit größeren Umfang als heute nutzbar zu machen, forderte Ruppert.

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