© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/11 20. Mai 2011

Falsche Studie zu Kinderarmut
Für dumm verkauft
Rolf Dressler

Wie sagte der Münchner Philosophieprofessor Thomas Buchheim so trefflich: „Dadurch, daß ich mit dem Gehirn denke, denkt aber doch nicht das Gehirn statt meiner.“ Nutzen wir also dieses wundervolle Instrument, das uns vom Schöpfer gegeben wurde, nach Kräften dazu, all jenen auf die Schliche zu kommen, die dem Volk auch noch den größten Unfug in die Köpfe blasen wollen.

Wie etwa – als nur ein Beispiel unter vielen – das unerhört schäbige Pingpongspiel mit der „Kinderarmut“. Vor drei Jahren hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung  (OECD) wieder einmal grollend über Deutschland zu Gericht gesessen: Angeblich darben hierzulande 16,3 Prozent der 10,3 Millionen Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Welch ein gefundenes Fressen, welch eine Steilvorlage für die hiesige Gutmenschen-Industrie! Sofort ertönte natürlich wieder deren Schlachtruf nach „sozialer Gerechtigkeit“ in ungezählten Quasselrunden und der gedruckten Presse. Ruckzuck und reflexhaft folgsam legte die schwarz-gelbe Bundesregierung 20 Euro je Sprößling beim Kindergeld zu – was Väterchen Staat, sprich: uns Steuerzahler, seither lockere vier Milliarden extra kostet; pro Jahr, versteht sich.

Ende April 2011 nun versuchten die Fremdbestimmer von der OECD Deutschland und die Deutschen auf dreisteste Weise gleich noch einmal für dumm zu verkaufen: Jetzt plötzlich behaupten sie völlig skrupellos, „man“ (Wirtschaftsforscher, die Regierung Merkel?) habe sie vor drei Jahren angeblich mit gänzlich falschem Statistikmaterial beliefert. Die deutsche Kinderarmutsrate liege – o Wunder – in Wahrheit nur halb so hoch, nämlich bei 8,3 Prozent; dank der geradezu vorbildlich hohen finanziellen staatlichen Hilfen für bedürftige Familien.

Schuld an diesen haarsträubenden Machenschaften will selbstredend niemand sein. Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) faselt man davon, daß „die Gruppe nicht befragungsbereiter Personen“ zwar früher zu „statistischen Unsauberkeiten“ geführt habe, inzwischen aber sei sie für die Erhebungen zur Armut „relevant“ geworden. Im übrigen habe es eine Datenpanne bei der Zahlenzulieferung des DIW an die OECD nie gegeben. Also alles klar im deutschen „Absurdistan“? 

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „West­falen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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