© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Zeitschriftenkritik: Éléments
Europa statt Abendland
Martin Lichtmesz

Das handelsübliche Etikett „Nouvelle Droite“,also „Neue Rechte“, lehnt der seit einem halben Jahrhundert aktive Publizist Alain de Benoist schon seit geraumer Zeit für sich ab. Das hat vor allem damit zu tun, daß Benoist die alte Links-Rechts-Dichotomie für eine restlos überholte Sache hält. Von einem scharfen Antikapitalismus und Antiglobalismus abgesehen, gibt es aber nicht allzuviel Linkes im landläufigen Sinne in der Zeitschriften-Trias, für die Benoist verantwortlich zeichnet.

Die älteste der drei ist die seit 1968 jährlich erscheinende, um thematisch-theoretische Vertiefung bemühte Nouvelle École, die jüngste das 1988 gegründete Heft Krisis, das vor allem der freien Debatte zwischen den politischen Lagern ein Forum bieten will. Etwa auf der halben Strecke zwischen beiden finden sich die 1973 begründeten Éléments, einst zentrales Organ der G.R.E.C.E., der „Studien- und Forschungsgruppe für die europäische Zivilisation“. Auch diese Bezeichnung benutzt Benoist nicht mehr; sein unter dem Pseudonym Robert de Herte herausgegebenes „Magazin der Ideen“ untertitelt er schlicht: „Für die europäische Zivilisation“.

Die aktuelle Ausgabe (April-Juni) kann als Schwesterpublikation zur aktuellen Nouvelle École gelesen werden, die dem Werk Oswald Spenglers gewidmet ist. Das Heft mit dem Titelthema „Untergang des Abendlandes“ wartet gleich im Editorial mit einem für Benoist typischen Kehraus auf: der ganze Begriff „Abendland“ sei reif zur Entsorgung, denn er sei längst zur nichtssagenden und ortlosen „All-Gemeinheit“ verkommen. Statt dessen solle man lieber wieder konkret von „Europa“ sprechen, das sich allerdings in einem gefährlichen Stadium der Dekadenz befindet: „Indem es vergißt, daß die Geschichte tragisch ist, und meint, es könne jegliches Machtdenken aufgeben und den Konsens um jeden Preis suchen, gewichtlos vor sich hintreibend, als wäre es der Lethargie verfallen, stimmt es nicht nur seinem eigenen Verschwinden zu, sondern deutet dieses Verschwinden auch noch als Beweis seiner eigenen moralischen Überlegenheit.“

Getragen von der Hoffnung auf einen europäischen Neubeginn, läßt Benoist zu dem Thema noch sechs weitere Denker zu Wort kommen, die zum Teil aus völlig entgegengesetzten Ecken stammen, wie den Historiker Dominique Venner, den Ökonomen Hervé Juvin und den marxistischen Querkopf Costanzo Preve. Weitere Themen sind die Masseneinwanderung als „Reserve-Armee des Kapitals“, die Pornographie als Mittel des hypermoralischen Agitprops, die Political Correctness als inquisitorisches Instrument der „neo-bourgeoisen Moralordnung“, der Schriftsteller Pierric Guittaut, der knallharte Thriller über den „Bürgerkrieg“ in den Banlieues schreibt, die literarischen „enfants terribles“ Louis-Ferdinand Céline und Curzio Malaparte, sowie eine musikalische Hommage unter dem Motto „Wagner über alles“.

Das ist einmal mehr genau jene reizvolle Mischung, die dem Namen der „Nouvelle Droite“ seit eh und je ihre Anziehungskraft verliehen hat, und von der sich rechte Publizisten in Deutschland immer noch eine Menge abschauen können.

Kontakt: Éléments, 242 boulevard Voltaire, 75011 Paris. Das Einzelheft kostet 5,50 Euro. www.revue-elements.com

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