© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Bewegende Heimkehr der „Gorch Fock“
Deutsche Marine: Die Rückkehr des Segelschulschiffes nach Kiel gerät zu einer Demonstration für das Festhalten an der Tradition
Hans-Joachim von Leesen

Die Sonne strahlte, als die Dreimastbark „Gorch Fock“, das Segelschulschiff der Deutschen Marine, nach 250 Tagen wieder an seinem Liegeplatz an der Kieler Tirpitzmole eintraf, begleitet von zahlreichen Segelschiffen und begrüßt von 1.500 Angehörigen der Stammbesatzung. Die 221 Offiziersanwärter beiderlei Geschlechts, deren Ausbildung die Fahrt nach Südamerika dienen sollte, waren nach Deutschland zurückgeflogen worden, nachdem eine Kadettin aus der Takelage abgestürzt und gestorben war.

Vom Marineehrenmal Laboe hatte sie bereits ein 50 Quadratmeter großes Banner aus 70 Metern Höhe begrüßt mit der Aufschrift: „Der Deutsche Marinebund begrüßt die „Gorch Fock“ und die Besatzung“. Es war die zweite freundliche Geste, die die Marinesoldaten bei ihrer Heimkehr erlebten, nachdem sie nach dem Unfalltod der Kameradin von Politikern und manchen Medien mit unbewiesenen Vorwürfen überhäuft worden waren, die sich inzwischen vielfach als unberechtigt erwiesen haben. Gleich nach Einlaufen in die Kieler Förde hatte der schleswig-holsteinische Landtagspräsident Torsten Geertz (CDU) das Schiff besucht und in einer deutlichen Rede die Diffamierungen verurteilt, denen Schiff und Besatzung ausgesetzt gewesen waren.

Neben den Angehörigen hatte sich auch eine große Zahl von Kielern am Ufer eingefunden, die allerdings das militärische Sperrgebiet, zu dem die Tirpitzmole gehört, nicht betreten durften, so daß sie in erheblicher Entfernung am Hindenburgufer stehen mußten. Sie konnten aber deutlich hören, wie das Marine-Musikkorps Ostsee das Anlegemanöver begleitete mit dem amerikanischen Schlager „Join the Navy!“, was einige Lästermäuler am Hindenburg-ufer zu der Frotzelei veranlaßte, damit wolle man wohl den Marinesoldaten den Tip geben, lieber bei der amerikanischen Kriegsmarine anzuheuern, um in Zukunft Diskriminierungen aus dem Weg zu gehen. Dann schlossen die Angehörigen ihre Söhne und Töchter, ihre Ehepartner und Freundinnen in die Arme. Der Inspekteur der Marine sprach ein paar Worte und vermied sorgfältig jede Stellungnahme zu den Vorwürfen. Verteidigungsminister Thomas de Maiziére (CDU) weilte an jenem Tage auch in Schleswig-Holstein, vermied es aber, sich in der Nähe der „Gorch Fock“ sehen zu lassen.

Statt dessen hielt er eine Rede auf dem CDU-Parteitag im 80 Kilometer entfernten Norderstedt. Vom NDR interviewt, erzählte er launig, man werde doch nicht leichtfertig eine „so schöne Tradition“, wie sie die „Gorch Fock“ darstelle, über Bord werfen, ließ sich aber auch durch die hartnäckigen Fragen nicht dazu bewegen, eine klare Aussage über seine Beurteilung der Vorgänge und über die Zukunft des Schulschiffes wie seines suspendierten Kommandanten zu machen. Vorsichtshalber schob er die Entscheidung auf Ausschüsse und Richter. Wie tief die Soldaten durch die vorschnelle Verurteilung getroffen waren, ging aus den Interviews einiger Matrosen hervor, die sich als Opfer politischer Ranküne sahen, benutzt von Politikern und Medien, die ihren antisoldatischen Vorurteilen freien Lauf gelassen hatten. Und niemand hatte ihnen Gelegenheit gegeben, sich zu wehren.

Die Begrüßungszeremonie war fast vorbei, als ein einsamer Demonstrant einen rosa verkleideten Kinderwagen über das Hindenburgufer schob, aus dem eine Papprolle herausragte, wohl um eine Kanone darzustellen. In seinen Flugblättern konnte man lesen, daß er der Martine vorwarf „Wirtschaftskriege“ zu führen. Auch widerspreche das militärische Prinzip von Befehl und Gehorsam „zutiefst einem emanzipatorischen Menschenbild“. Der Text schloß mit der Aufforderung: „Marine torpedieren – Militarismus versenken“.

Am Montag trat in Bonn eine Kommission des Verteidigungsministeriums zusammen, um über die Zukunft der „Gorch Fock“ zu entscheiden. Bis zum Ende des Sommers wird wohl eine Entscheidung über das Segelschulschiff fallen.

Foto: Matrosen beim Einlaufen an Bord der  „Gorch Fock“: Der Minister hält Abstand

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