© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/11 13. Mai 2011

Rochade in letzter Minute
FDP: Unmittelbar vor dem Bundesparteitag trimmt Philipp Rösler die Partei auf einen neuen Kurs und setzt sein Personalkonzept durch
Ronald Gläser

Philipp Röslers Schonzeit als neuer FDP-Chef ist zu Ende gegangen, bevor der 38jährige überhaupt ins Amt gewählt worden ist. Am Wochenende wählt die FDP ihren neuen Vorstand, und schon vorher überschlagen sich in den Medien die Kritiker: Klaus Sturm vom SWR schimpft, bei den Liberalen werde „unten gekuscht und oben geschachert“. Ulrich Deppendorf lästert aus dem ARD-Hauptstadtstudio, Rösler habe sich die Aufgabe als FDP-Chef „vielleicht ein wenig zu einfach vorgestellt“. Und im Stern kommentiert Laura Himmelreich unter der aussagekräftigen Überschrift „Wie die Wahl ‘zwischen Pest und Cholera’“: „Eine Partei, deren Ziel nur der eigene Machterhalt ist, eine Partei ohne Themen, hat keine Existenzberechtigung.“ Ihr Ausscheiden aus dem Bundestag wäre „ein Anfang, dem ein Zauber innewohnt“.

In der Tat spricht einiges dafür, daß die FDP weitere Niederlagen wird einstecken müssen. Ihrem designierten Vorsitzenden ist es aber immerhin durch eine wohlkalkulierte Hauruckaktion gelungen, die Partei wieder auf die Spur zu setzen. Bis vor einer Woche hatte es so ausgesehen, als würde nichts dergleichen passieren.

Nach seiner Nominierung als Vorsitzender im April hatte Rösler angekündigt: „Meine Kandidatur kann nur der erste Schritt sein – zu einer inhaltlichen und personellen Erneuerung. Weitere Schritte werden in den kommenden Tagen und Wochen folgen.“ Sofort von Journalisten vorgebrachten Fragen, ob er nun das Wirtschaftsministerium zu übernehmen gedenke, wich Rösler damals aus.

Danach ist acht Wochen lang nichts passiert. Je näher der Parteitag rückte, desto größer wurde jedoch die Angst, Rösler könnte unter die Räder kommen wie Westerwelle, wenn alles so bleibt wie es ist. Insbesondere dann, wenn er weiterhin das unbedeutende Gesundheitsministerium führt. Rösler setzte alle Hebel in Bewegung, um ein größeres Personalrevirement herbeizuführen, bei dem er am Ende als Wirtschaftsminister den wichtigsten Posten im Kabinett hat, den die Liberalen neben dem Außenamt zu vergeben haben. Vor allem zwei Personen standen so einer Rochade im Weg: Birgit Homburger und Rainer Brüderle. Beide haben um ihr Amt gekämpft. Am Freitag hat die Fraktionschefin noch einmal in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung bekräftigt, sie wolle unbedingt Fraktionsvorsitzende bleiben. Auch auf der Fraktionsklausur am Wochenende ließ sich niemand etwas anmerken. Erst am Montag sickerte durch, daß für sie in der neuen FDP-Spitze kein Platz mehr sein könnte. Sicherlich hat ihr nicht geholfen, daß ihr eigener Landesverband Baden-Württemberg sie am vergangenen Sonnabend beinahe abgewählt hätte. Homburger konnte sich nur mit allerletzter Kraft im Amt halten.

Im Reichstag wird sie nun durch Brüderle ersetzt, der zwar sein Ministerium verliert, dafür aber Fraktionsvorsitzender wird. Der Pfälzer kommt gut bei dem Geschäft weg und ist in der Fraktion an der richtigen Stelle. Die 86 Ja-Stimmen (bei zwei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen), die er am Dienstag nachmittag in einer vorgezogenen Neuwahl des Fraktionsvorstandes bekommen hat, waren ein ausgezeichnetes Ergebnis.

Angeblich soll Homburger für ihren freiwilligen Verzicht mit einem Regierungsjob oder dem Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden abgefunden werden. Zwei Stellvertreterposten sind vakant, da Cornelia Pieper und Andreas Pinkwart freiwillig ausscheiden. Nur Brüderle will um seinen Posten als Parteivize kämpfen. Er könnte eine Kampfkandidatur gegen Homburger oder den designierten Gesundheitsminister Daniel Bahr durchzustehen haben. Fest steht dagegen nur, daß Christian Lindner Generalsekretär bleiben soll. So könnte der Parteitag in einem Hauen und Stechen enden. Andererseits hat der Neu-Vorsitzende Rösler mit der Aktion zum Beginn der Woche die Weichen für den Parteitag gestellt und bewiesen, daß er eine personelle Erneuerung in Regierung und Fraktion durchsetzen kann.

Foto: Der neue FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: Ausgezeichnetes Ergebnis für den scheidenden Wirtschaftsminister

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