© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/11 06. Mai 2011

Habemus iPhone
Im Vatikan trafen sich Blogger aus aller Welt / Eine neue Papst-Internetseite wurde vorgestellt
Ronald Gläser

Für Claudio Maria Celli ist die Sache klar:  Der Erzbischof will auf die „Bloggosphäre“ zugehen, auf jene schwer engagierten Internetnutzer, die auf eigenen Netzseiten das Tagesgeschehen kommentieren. Das ist Cellis Job – schließlich ist er Leiter der Abteilung für soziale Kommunikation im Vatikan. Der Name seiner Behörde klingt, als sei er extra für Facebook und Twitter erfunden worden, aber in Wirklichkeit gibt es sie schon seit 1948. Der Erzbischof sagt: „Blogger sind wichtig für die heutige Welt. Wir wollen den Dialog mit ihnen.“

Sein Chef, der Papst, schreibt seine vielen Briefe und Bücher meistens noch eigenhändig. Seine Kirche hingegen ist bemüht, im Web 2.0 nicht den Anschluß zu verpassen. Seit Benedikt XVI. im Amt ist, wird dem Internet noch größere Bedeutung geschenkt. Nun geht Rom richtig in die Offensive.

Im Vatikan hat am Montag eine Konferenz stattgefunden, wie es sie noch nie gegeben hat. Der Heilige Stuhl hat 150 Experten aus der ganzen Welt zu einer Blogger-Konferenz eingeladen. Der Ansturm war so groß, daß die Teilnehmer am Ende ausgelost werden mußten. Zwar wurde auch die Herkunft berücksichtigt, trotzdem entsprach die Zusammensetzung nicht ganz der Realität: Besonders stark war die spanischsprachige Welt vertreten. Auch aus dem deutschsprachigen Raum kamen 17 Teilnehmer – Stefan Erhardt (zeitzubeten.org) etwa oder Jens Albers (frischfischen.de). Aus den USA dagegen waren nur zehn Blogger eingeladen.

Zum Beispiel Rocco Palmo (28) und Thomas Peters (30), zwei in den USA bekannte katholische Blogger. Peters betreibt die Seite catholicvote.org und hat vor allem zwei Dauerforderungen der christlichen Rechten mitgebracht: liberale Waffengesetze und Kampf gegen Abtreibung. Vor allem diese Pro-Life-Haltung ist der rote Faden bei allen Amerikanern auf der Konferenz.

Anderes Land, ähnliche Einstellung: Der Spanier Andres Beltrano nennt als Motivation für seine Bloggertätigkeit, daß er nur im Internet keiner Einschränkung in der Berichterstattung unterliege. Beltrano, im „wirklichen Leben“ Journalist bei einer Nachrichtenagentur, formuliert es aus Rücksicht auf seinen Arbeitgeber vorsichtig: „Viele Medien scheitern daran, die Wahrheit über die Kirche zu berichten.“

Während Bloggerkonferenzen auf Außenstehende oft wie selbstreferentieller Nonsens wirken, geht es im Vatikan von der ersten Sekunde an konzentriert zur Sache. Eine zentrale Frage ist: Wie bringen wir unsere Botschaft an den Mann? Antworten gibt Roderick Vonhögen. Der Priester aus den Niederlanden berichtet von seinen Erfolgen. In seiner Heimat ist er ein Popstar, der öfter ins Fernsehen eingeladen wird als die gesamte holländische Bischofskonferenz zusammen.

Vor 15 Jahren hat Vonhögen als blutjunger Priester in der Provinz mit einer Internetseite über „Krieg der Sterne“ angefangen. Die Seite kam gut an, und plötzlich hatte er ein weltweites Publikum. Priesterkollegen haben ihm geraten, mehr Zeit in der Kirche zu verbringen. Das überzeugt Vonhögen nicht: „Im Internet erreiche ich 40.000 Menschen, die sich nie an einen Priester wenden würden.“ In seine Kirche kämen immer nur 200, und einige von denen würden während des Gottesdienstes schnarchen.

Bei der Seligsprechung von Johannes Paul II. am Vortag ist Vonhögen mit einem iPhone über den Petersplatz gelaufen und hat Fragen von Internetnutzern beantwortet. Das ganze ist live bei Youtube gesendet worden und war ein großer Erfolg. Das neueste Projekt sei eine Seite zu Farmville, dem beliebten Onlinespiel. Dort gäben Priester Tips, wie die Hühner richtig zu füttern und das Spiel zu einem guten Ende zu bringen sei. Sie erreichen damit ein junges Publikum, das sonst im Traum nicht mit der Kirche kommunizieren würde.

Das Beispiel Vonhögen beweist, daß die katholische Kirche schon jetzt über Talente in den eigenen Reihen verfügt, die sie nur fördern muß. Erzbischof Celli gibt sich am Ende zufrieden: Es werde weitere Zusammenkünfte dieser Art geben, betont er mehrmals. „Eigentlich“, so räumt er ein, „hätten wir so ein Treffen schon längst einberufen müssen.“

 

Die Web-2.0-Strategie des Papstes

Benedikt XVI. bloggt nicht. Er twittert nicht. Und er hat auch keinen Facebook-Eintrag. Es gibt zwar mehrere Papst-Profile, aber die wurden von Fans inoffiziell ins Netz gestellt. Der Papst hat noch nicht mal eine E-Mail-Adresse. Immerhin: Der Vatikan verfügt über eine Internetseite, die zur Zeit grundlegend überarbeitet wird. Auf der Bloggerkonferenz in Rom wurde die neue Plattform news.va vorgestellt. Diese Seite soll die Angebote des Osservatore Romano, von Radio Vatikan, die Fotoalben, die Fernsehkanäle und Youtube miteinander ver- sowie die sozialen Netzwerke einbinden.

Schon in der Vergangenheit hat der Vatikan bei Weltjugendtagen mit Massen-SMS gearbeitet. Dank einer einheitlichen Strategie hofft die Kirche, nun besser an junge Katholiken heranzukommen. Der Papst sei begeistert von den neuen technischen Möglichkeiten, sagt der Chef von Radio Vatikan, Jesuitenpater Frederico Lombardi. www.vatican.va

Foto: Roderick Vonhögen: Der holländische Priester und Internetpionier gibt auf der Bloggerkonferenz im Vatikan den Takt vor

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