© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Opa, gib Gummi
Nach 60 Jahren erwacht das Rennsport-Mekka am Autobahndreieck Dresden zu neuem Leben
Paul Leonhanrd

Blubbernd erwachen alte Motoren zum Leben, gewinnen immer mehr an Lautstärke. Reife Männer steigen in ihre Lederkombinationen, schließen Reißverschlüsse und setzen altertümliche Kappen und Helme auf, um dann auf ihrer zeitlos eleganten Awo, DKW oder BMW davonzubrausen. Auch Rennleiter Peter Nitsche wird wohl mit seiner DKW mit selbstgebauter Wasserkühlung an den Start gehen.

Am 30. April und am 1. Mai wird auf einmal alles so sein wie 1959. „In Dresden purzeln alle Rekorde“, titelte damals die Illustrierte Motorsport. Die Rede ist von der legendären Autobahnspinne Dresden-Hellerau. Von 1951 bis 1971 ließ sie mit ihren Motorrad- und Wagenrennen europaweit die Herzen der Motorsportfreunde schneller schlagen.

Die „Dresdner Spinne“ war ein Kind ihrer Zeit. Die DDR wollte damals ihren Bürgern ein wenig Vorkriegsnormalität bieten. Da es sechs Jahre nach Kriegsende aber kaum geeignete Strecken für Motorrad- und Autorennen gab, kam wohl der Rennfahrer Helmut Zimmer auf die Idee, einen Teil des heutigen Autobahndreiecks Dresden-Nord zu nutzen, wo sich die aus Berlin kommende A13 mit der aus Bautzen kommenden A4 vereinigt.

Um Rennen durchzuführen, mußten lediglich einige feste Übergänge geschaffen und die seinerzeit kaum befahrene Autobahn vorübergehend gesperrt werden. Eine zu Beginn genau 6.443 Kilometer lange Rennstrecke entstand, die mit der „Kurve der Jugend“, der „Kurve der Freundschaft“ und der „Südkurve“ kurze Spitzkehren und lange Geraden aufwies sowie hohe Anforderungen an Fahrer und Maschinen stellte.

Die Autobahnspinne war geboren, und die Tradition begann bei den DDR-Meisterschaften 1951, zu denen 150.000 Motorsportfans aus ganz Deutschland anreisten. In den Folgejahren strömten zwischen 30.000 und 40.000 Begeisterte zu den Rennen.

Der erste Siegerkranz ging an den Automobil- und Motorradrennfahrer Paul Greifzu (1902–1952), der im selben Jahr beim Avus-Rennen in Berlin und auf dem Sachsenring siegte. Das letzte Rennen gewann 1971 Winfried Philippe Adalbert Karl Graf Kottulinsky Freiherr von Kottulin (1932–2010), kurz Freddy Kottulinsky. Für die Organisatoren des Jubiläumsrennens 2011 hat der Weixdorfer Rennfahrer und einstige Europameister Ewald Kluge mehr Gewicht. Dieser war 1952 gleich bei zwei Rennen auf der „Spinne“ gestartet. In der 250-Kubikzentimeter-Klasse gewann Kluge, im Lauf der 350er Klasse versagte seine als „Singende Säge“ bekannte Dreizylinder-DKW.

Die Weixdorfer „Freunde historischer Motorradrenntechnik“ haben ihren Verein nach Ewald Kluge benannt und kamen anläßlich seines 100. Geburtstages im vergangenen Jahr auf die Idee, die Renntradition wiederzubeleben. Das Reglement der Präsentationsfahrten für Renn- und Sportmotorräder schreibt nicht nur einen technisch einwandfreien Zustand für die Fahrzeuge, sondern auch Schutzhelm, Lederkombi, Handschuhe und knöchelumschließendes Schuhwerk für die Fahrer vor.

Der Classic-Cup-Wertungslauf des   Allgemeinen Deutschen Motorsportverbandes ist für ehemalige Fahrer oder Motorräder reserviert, die auf der „Spinne“ im Einsatz waren. Allerdings geht es diesmal um Gleichmäßigkeitsfahren und nicht – wie einst – um das Erzielen von Höchstgeschwindigkeiten. Vor 60 Jahren brachten es die Motorräder mit 550 Kubikzentimetern Hubraum  auf 110 Stundenkilometer pro Runde.

  www.autobahnspinne.de

Foto: Werbeplakat: Zum 60. Rennjubiläum gehen sogar Sportmaschinen aus der Vorkriegszeit an den Start

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