© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Pankraz,
W. Optekamp und der Deutsche im Hotel

Vor einigen Tagen sah Pankraz auf N24 eine ausführliche und höchst interessante Reportage über „das größte, luxuriöseste und bequemste Hotel aller Zeiten“ (Eigenwerbung), nämlich das 2005 eröffnete „Emirates Palace“ in Abu Dhabi. Es ging darin nicht um die Gäste des Etablissements und nicht einmal vorrangig um seine in der Tat spektakulären „Facilitäten“, sondern vor allem um das zugehörige Hotelpersonal, genauer: um das Führungspersonal, um jene Menschengruppe also, die den ganzen Laden zusammenhält und optimiert, die Anweisungen gibt und die Abläufe kontrolliert. Es war spannend und lehrreich.

Was aber am meisten auffiel, war der Umstand, daß es sich dabei durchweg um Fachleute aus Deutschland handelte, vom Generaldirektor bis zur  Kellner-Trainerin, von der Einkaufs-chefin für Bettwäsche bis zum Oberaufseher für die Küchen und zum Organisator des ausgedehnten Hotel-Unterhaltungsprogramms. Die Unterwelt bzw. die Antriebsaggregate und Regulierungsinstrumente des „Emirates Palace“ sind vollkommen in bundesdeutscher Hand, ein bißchen gesprenkelt mit Herren und Damen aus Österreich oder der Nord-Schweiz.

Und was – freilich in seltener Dichte – für das „Emirates Palace“ gilt, das gilt für den internationalen Hotelbetrieb insgesamt. Es wimmelt in dessen Fühungsgpersonal buchstäblich von Deutschen, Österreichern und Schweizern, ob in Bangkok oder auf Hawaii, ob in Bogotá oder Singapur, ja selbst in Paris oder Los Angeles. Die Konstellation hat sich mittlerweile sogar auf das offene Meer ausgedehnt. Auch die riesigen Kreuzfahrtdampfer, die „schwimmenden Luxushotels“,  haben ganz überwiegend deutsche Betriebsdirektoren.

Willy Optekamp aus 41334 Nettetal, so erfuhr man aus dem N24-Film, wurde Generaldirektor des „Emirates Palace“, weil er schon vorher seit langem als die absolute Nummer eins der internationalen Hotelfachbörse gehandelt wurde; die arabischen Eigentümer, die von allem das Beste wollten, mußten bei ihrer Auswahl nicht lange suchen. Und so wie bei Optekamp verhält es sich auch mit allen Spezialpositionen des Fachs: An den Spitzen der internationalen Eignungslisten steht faktisch immer ein Deutscher. Es ist überhaupt nicht zu übersehen.

Ist das nun ein Umstand, der den Deutschen zur Ehre gereicht, ihr allgemeines Renommee befestigt? Ein geborener Engländer, mit dem Pankraz über das Phänomen sprach, äußerte sich eher verächtlich. Die Deutschen seien eben ein „kuscheliges“, im Grunde feiges Volk („The German Angst“), sie wollten es immer „gemütlich“ haben, warm in fröhlicher Runde und von schwierigen äußeren Einflüssen unbehelligt. Und deshalb seien sie eben die geborenen Hoteliers.

Man kann das natürlich auch anders sehen. Perfekte Hotellerie ist nicht zuletzt Ausdruck spontaner Weltoffenheit und Gastfreundschaft. Sie ist keineswegs stur nach innen gewendet, läßt sich im Gegenteil genau und ausführlich auf die Eigenheiten und Vorlieben des auswärtigen Gastes ein. In dem Film über das „Emirates Palace“ sah man eindrucksvoll, mit welch sachlicher Exaktheit die deutschen Manager die Wünsche ihrer arabischen oder fernöstlichen Gäste bedienten, sie ihnen gewissermaßen von den Augen ablasen. Jeder von ihnen sollte sich „wie zu Hause“ fühlen. Da war nicht die Spur von kleinlicher Angst, nur wissendes Entgegenkommen.

Dieses wissende Entgegenkommen auf möglichst hohem Niveau prägt ja nicht nur die deutsche Hotellerie, sondern auch die deutsche Industrie, beispielsweise die Maschinen- und Anlagenindustrie, die in der Welt schon zu Kaisers Zeiten deutlich führend war und immer noch führend ist. Da werden nicht einfach Maschinen verkauft oder Anlagen aus dem Katalog installiert, sondern lange bevor geliefert wird, erscheinen beim Kunden Fachleute, die seine lokalen Umstände und Bedürfnisse äußerst penibel erkunden und registrieren, als sei er ein potentieller Gast im „Emirates Palace“. Erst dann wird gebaut.

Ernst von Borsig (1869–1933), genialer Hersteller von Apparaten für die chemische und petrochemische Industrie, galt zu seiner Zeit geradezu als Pionier internationaler Kundenbetreuung und Dienstleistung, speziell im Bereich derWärmetechnik und des Kraftwerksservice. Von ihm stammt das Wort: „Wir bauen unseren Kunden nicht einfach ein Kraftwerk nach Schema F, sondern wir erfinden für ihn ein völlig neues Kraftwerk, und so geht es auch bei unseren anderen Anlagen.“ Dabei ist es bis heute geblieben, und zwar nicht nur bei Borsig.

Falls hier etwas zu kritisieren wäre, dann wohl gerade das Gegenteil von dem, was jener Engländer im Fokus hatte. Die Deutschen neigen dazu, sich allzu eifrig auf die Bedürnisse von anderen einzulassen, auch wenn es sich dabei um rein egoistische, in keiner Weise rechtfertigbare Pseudo-Bedürfnisse handelt. Dergleichen ist bei der Betreuung von Hotelgästen und im Anlagenbau richtig, aber als allgemeine Lebensmaxime taugt es nicht. Man läßt sich sonst leicht von Parasiten aussaugen und bereitet langfristig den Boden für den eigenen Untergang.

Die gegenwärtig heranreifende Transferunion in der EU, mit den Deutschen als Dauerzahlern, liefert möglicherweise die erste große Probe aufs Exempel. Einige Zahlungsempfänger scheinen gar nicht mehr zu wissen, was Sache ist, führen sich wie Hotelgäste in der Luxusherberge auf, die einen quasi gesetzlichen Anspruch auf all die Bequemlichkeiten und Facilitäten hätten. Und die klugen Manager werden als „Ausbeuter“ und „Kassenwarte“ beschimpft, die – wie einst Shylock – gnadenlos auf ihrem „Pfund Fleisch“ bestünden, auch wenn es den Nichtzahlern bei lebendigem Leib aus den Rippen geschnitten werden müßte.

Das geht entschieden zu weit. Im „Emirates Palace“ von Abu Dhabi sind es ja letztlich die Gäste, welche (für gute Leistungen) zahlen, wie in jedem anderen Hotel auch. Für Brüssel sollte dasselbe wie für die guten Kunden in Abu Dhabi gelten.

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