© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Luftlöcher in der Bundesflagge
Marcus Schmidt

Der Reichstag ist gut mit schwarzrotgoldenen Flaggen bestückt. Nicht nur auf den vier Türmen des Gebäudes flattern sie, seit dem 3. Oktober 1990 weht eine (mittlerweile wegen Verschleiß mehrmals ausgetauschte) großformatige Ausgabe der Deutschlandflagge als Symbol für die Wiedervereinigung auch vor dem Hauptportal des Parlamentsgebäudes. Auch ansonsten herrscht in Berlin dank der zahlreichen Ministerien und Behörden des Bundes an Schwarz-Rot-Gold kein Mangel. 

Wann wo welche Flagge gehißt
werden darf, ist in Deutschland natürlich streng reglementiert. Eine eigene Protokollabteilung des Bundesinnenministeriums wacht über die Einhaltung der Bestimmungen des sogenannten „Beflaggungserlasses“. Um den Bundesbehörden, aber auch Privatpersonen, bei Fragen zum Thema „wie flagge ich richtig“ schnell mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, hat das Ministerium nun im Internet eine eigene Seite zu dem Thema freigeschaltet.

Dort finden sich die offiziellen Beflaggungskalender des Bundes und der Länder, alle wichtigen Antworten zum Thema Trauerbeflaggung, Aufklärung über die richtige Größe von Tischflaggen (15 mal 25 Zentimeter) sowie der gerade in der anbrechenden Grillsaison wichtigen Unterpunkt: „Bundesflagge im Kleingarten“. Daß viele Bundesbürger offensichtlich noch unsicher im richtigen Umgang mit der Flagge sind, macht die Rubrik „So besser nicht ...“ deutlich. Dort wird beispielsweise davon abgeraten, „Luftlöcher“ in Flaggen zu schneiden, um den Windwiderstand zu mindern. Auch wird mit Hinweis auf die „Würde des staatlichen Symbols“ darauf hingewiesen, daß das edle Tuch „nicht dauerhaft“ den Boden berühren sollte.

Die neue schwarzrotgoldene Begeisterung, die sich in den vergangenen Jahren vor allem bei Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften gezeigt hat, bereitet den Verantwortlichen in ihren Auswüchsen offenbar Unbehagen. „Ob eine dauerhafte Beflaggung an Fassaden, in Fensterrahmen oder am Fahrzeug allerdings angezeigt ist, muß im Einzelfall beurteilt werden“, heißt es dazu etwas umständlich. Die Botschaft indes ist eindeutig: Weniger ist nach Ansicht des Innenministeriums auch bei der Beflaggung mitunter mehr.

Die häufige Frage, ob es erlaubt ist, als Bürger die Deutschlandflagge mit dem Bundesadler zu führen (Bundesdienstflagge) wird von den Beamten der Protokollabteilung abschließend beantwortet. Auch wenn diese „offizielle“ Variante eigentlich den Dienststellen des Bundes vorbehalten ist, könne gerade bei Großereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft die Nutzung der Bundesflagge mit dem Bundeswappen durch Bürger als Ausdruck der nationalen Verbundenheit als „sozialadäquat“ geduldet werden, notieren die Beamten.

Wem das alles zuviel ist, der kann sich  aber ganz entspannt zurücklehnen. Denn, so läßt die zuständige Stelle des Bundesinnenministeriums auch wissen: Für die Bürger bestehe keine „Flaggenführungspflicht“. www.bundesbeflaggung.de

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