© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Vorwärts in die Vergangenheit
Führungsstreit: Mit endlosen Diskussionen über ihre Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst lähmt sich die Linkspartei selbst
Ansgar Lange

Der verpaßte Einzug in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat die seit Monaten schwelende tiefe Sinn- und Führungskrise der Linkspartei weiter verschärft. Im Zentrum der Kritik, die die Existenz der Partei bedroht, stehen die beiden glücklosen Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst.

Der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Emnid, Klaus-Peter Schöppner, rät der aufgescheuchten Partei denn auch zu einem Austausch des Spitzenpersonals: „Die Partei hat kein Aushängeschild. Klaus Ernst ist eine große Katastrophe, Gesine Lötzsch ist eine mittlere Katastrophe.“ Auch wenn der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi und der Ex-Parteivorsitzende Oskar Lafontaine wegen ihrer Vergangenheit in der DDR beziehungsweise ihres recht opulenten Lebensstils nicht unumstritten waren, schaffen es Lebemann und Porschefahrer Ernst und die blasse Gesine Lötzsch, die sich nach dem Kommunismus sehnt, nicht, aus dem Schatten der übermächtigen Vorgänger zu treten.

Schöppner empfiehlt der Partei, dennoch auf das Personal der Vergangenheit zu setzen. Als Alternative zu dem „Duo Infernale“ nennt er neben Lafontaine Gysi sowie den früheren Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch.

Daß die Partei, die seit Jahren Mitglieder verliert, zur Zeit deutschlandweit bei acht statt früher zehn oder zwölf Prozent liegt, hat indes mehrere Gründe und wurzelt nicht alleine in der Führungskrise. Einer davon ist dem Umstand geschuldet, daß die Linkspartei auch vier Jahre nach der Fusion von PDS und WASG immer noch in einen recht pragmatischen und regierungswilligen Ost- und einen ziemlich linksdogmatischen Westflügel zerfällt. Ob die Gefahr eines Erosionsprozesses ausgerechnet durch eine Rückkehr von Ex-Parteichef Lafontaine gebannt werden könnte, wird daher von vielen Funktionären bezweifelt. Manche West-Linke wie die frühere öffentlich-rechtliche Journalistin und jetzige kulturpolitische Sprecherin der Linkspartei, Luc Jochimsen, machen sich dennoch für eine stärkere Einbindung des „Alten“ stark.

Jüngere „Nachwuchshoffnungen“ wie die Parteivize Katja Kipping setzen weniger auf personelle denn auf programmatische Veränderungen. So wurde die neu aufgeflammte Debatte um den Ausstieg aus der Kernenergie fast ausschließlich von den Grünen belegt. Die Linke kam in der Debatte gar nicht vor. In einem Beitrag für das parteinahe Magazin Prager Frühling riet Frau Kipping jetzt ihren Genossen, die „grüne Herausforderung“ anzunehmen. Es sei zu wenig, wenn die Linke dem neuen grünen Bürgertum nur mit Mißgunst begegne: „Wenn wir weiter Verachtung für Bionade-Biedermeier und Ökoläden ausstrahlen, kommen wir irgendwann in den Geruch des Altmodischen.“

Ob diese ideologischen Flirtversuche der Linken mit den Grünen von Erfolg gekrönt sein werden, ist ungewiß. Der immer noch einflußreiche Lafontaine hält davon augenscheinlich wenig, schließlich bezeichnete er deren Pläne für einen „Green New Deal“ als „Mogelpackung“. Und der so gescholtene Ernst ätzte, die Grünen seien für ihn keine linke Partei, sondern „im Kern die Partei der umweltfreundlichen Besserverdiener“.

Als gäbe es nicht schon Probleme genug, mußte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch jüngst eine Generalrevision des Finanzplans 2011 verkünden. Finanzprobleme, der Niedergang der Partei zumindest im Westen, verbale Schlammschlachten, massive Kritik an der Führungsspitze, eine nur mit der Lupe wahrzunehmende Präsenz bei den aktuellen politischen Debatten: es gibt genug Stoff für Sondersitzungen, um sich über den Kurs der Partei Gedanken zu machen und Flügelkämpfe zu befrieden.

In der vergangenen Woche beschloß der geschäftsführende Parteivorstand nun in einer eilig einberufenen Sitzung, die Personaldebatte zu beenden. In der Partei wird jetzt aufmerksam verfolgt, wie lange dieser Burgfrieden wohl hält. Schon werden Stimmen laut, die nach einem Sonderparteitag rufen, um die quälenden Diskussionen über das Führungspersonal mit einem Schlag zu beenden.

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