© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Der Widerstand zeigt sein Gesicht
Euro-Rettungsschirm: In den Regierungsfraktionen wächst der Unmut
Paul Rosen

In Europa fehlt Geld an allen Ecken und Enden, und mit Griechenland steht das erste Land vor der Pleite. Jetzt werden die Zahler nervös. Die Wahl in Finnland mit den starken Zuwächsen für die Euro-kritische Bewegung war ein Fanal. Auch hierzulande rührt sich Widerstand, und der läßt sich nicht mehr nur am Gegrummel hinter verschlossenen Türen Berliner Sitzungssäle festmachen, sondern es gehören Gesichter dazu: Wortführer sind in der Unionsfraktion Klaus-Peter Willsch aus Hessen und der Ostwestfale Frank Schäffler in der FDP-Fraktion. Sie haben die Nase voll, daß die Bundesregierung 21,7 Milliarden Euro an den dauerhaften Europäischen Rettungsschirm ESM bezahlen und für 190 Milliarden Euro zusätz-liche Garantien übernehmen soll. 

Schon die Griechenland-Zusagen und die anschließende Errichtung des provisorischen Rettungsschirms ESFM, unter den Irland schlüpfte und Portugal bald schlüpfen wird, hatte zu Verärgerung im Bundestag geführt. Die Regierung peitschte die Milliarden-Garantien im Schnellverfahren durch. Eine gründliche Beratung fand nicht statt. Allenfalls zu einer Information des Haushaltsausschusses des Bundestages zeigte sich die Regierung bereit. Daran will sie offenbar auch nichts ändern, wie an den Signalen aus dem Kanzleramt und dem Finanzministerium zu erkennen ist.

Wie weit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch kommen werden, ist ungewiß. Die Lage scheint brenzlig zu werden. In der FDP-Fraktion unterstützt ein Dutzend Abgeordnete von insgesamt 93 einen von Schäffler initiierten Antrag zum Rettungsfonds für den FDP-Parteitag im Mai in Rostock. Schäffler, der wegen einer früheren Kritik an den Zuständen in der Euro-Zone auf Betreiben des Parteichefs und Außenministers Guido Westerwelle aus seinem Amt als finanzpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion gedrängt worden war, läßt trotz der Degradierung nicht locker. In seinem Antrag wird der Rettungsschirm ESM strikt abgelehnt. Statt dessen will Schäffler eine Umschuldung insolventer Euro-Staaten, die dann für Griechenland und wahrscheinlich auch Irland durchgeführt werden müßte. Damit müßten private Gläubiger wie internationale Großbanken und Versicherungen auf einen Teil ihrer in Griechenland-Anleihen angelegten
Gelder verzichten. Schäffler, dem Mut für seine Haltung nicht abzusprechen ist, sagte der Financial Times Deutschland: „Wenn wir dafür eine Mehrheit in der Partei finden, kann die FDP nicht mehr so weitermachen wie bisher.“

Die schwache liberale Parteiführung scheint nervös zu werden, wie eine Reaktion des Generalsekretärs Christian Lindner in der Wirtschaftswoche gegen Schäuble zeigt: „Ich gewinne den Eindruck, daß der Bundesfinanzminister in diesen Fragen die Budgethoheit des Deutschen Bundestages schleifen will.“ Auch das Wirtschaftsministerium legte sich  mit Schäuble an und forderte eine stärkere Beteiligung des Bundestages sowie Änderungen am dauerhaften Rettungsschirm. Damit soll Schäffler der Wind aus den Segeln genommen werden.

Ähnlich strukturiert wie der Finanzpolitiker Schäffler ist dessen Haushaltskollege Willsch (CDU), der den Wahlkreis „Rheingau–Taunus–Limburg“ im Parlament vertritt. Er war schon früher als Kritiker der eiligst zusamengeschusterten Euro-Rettungsaktionen aufgetreten und rechnet der Kanzlerin jetzt vor, daß ihre Mehrheit in Gefahr sein könnte. Etwa 30 bis 40 Unionsabgeordnete, so schätzt Willsch, seien klar gegen die bisher bekannten Regelungen des neuen Rettungsschirms. Wenn diese zusammen mit den zwölf Eurokritikern in der FDP gegen den ESM, der als internationaler Vertrag durch den Bundestag muß, stimmen, hätte Merkel keine Mehrheit mehr. Die Koalition verfügt über 331 von 621 Sitzen im Parlament und kann sich maximal 20 Abweichler leisten. Willsch scheint das in Kauf nehmen zu wollen, wie ein Zitat von ihm aus der Mitteldeutschen Zeitung zeigt: „Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß die Koalition die notwendige Mehrheit verfehlt. Das wäre jedenfalls wünschenswert.“

Schäffler und Willsch sind Realisten. Schäffler weiß, daß die FDP am Ende ist, wenn sie nicht „finnischer“ wird. Willsch läuft Gefahr, seinen schönen Direktwahlkreis zu verlieren, wenn sich die Stimmung gegen die CDU dreht. Nur Merkel ficht das nicht an. Sie ist entschlossen, zur Beruhigung der eigenen Leute weiße Salbe zu verstreichen. Und wenn das nicht gelingt, wird sie mit der SPD weiterregieren. Die So-
zialdemokraten haben schon signalisiert, dem neuen Rettungsschirm zustimmen zu wollen, was dann für Merkel die Rettung wäre.

Foto: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im vergangenen Jahr: Notfalls mit der SPD

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