© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

„Alle Parteien müssen sich distanzieren“
Interview: GdP-Chef Bernhard Witthaut zum 1. Mai
Felix Krautkrämer

Herr Witthaut, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat nach dem jüngsten Anschlag auf eine Berliner Polizeiwache gesagt, es gebe keine zunehmende linksextreme Gefahr in Berlin. Stimmt das?

Witthaut: Der Bundesinnenminister sagt etwas anderes. Die politisch links motivierte Kriminalität darf nicht unterschätzt werden. Vor allem die Gewaltbereitschaft nimmt in einigen Bereichen deutlich zu. Daher rechnen wir als Gewerkschaft der Polizei auch damit, daß sich am 1. Mai vor allem in Berlin und Hamburg wieder einige Demonstranten auf Krawall vorbereiten, und stellen uns darauf ein, daß es zu Straftaten kommt. Wünschenswert wäre es, wenn im Vorfeld alle Parteien geschlossen dazu aufrufen würden, den 1. Mai friedlich zu begehen.

Distanziert sich die Politik Ihrer Ansicht nach nicht ausreichend von linksextremen Gewalttätern?

Witthaut: Ich habe manchmal das Gefühl, daß es bei dem ein oder anderen eine heimliche Sympathie gibt, wenn wieder etwas passiert, bis hinein in das bürgerliche Lager und in die etablierten Parteien. Das gilt vor allem für die Linkspartei. Auch von der Linkspartei erwarten wir nicht nur Lippenbekenntnisse zur Gewaltlosigkeit. Auch in diesem Jahr ist die traditionell gewaltträchtige Demonstration zum 1. Mai in Berlin wieder aus dem Umfeld dieser Partei angemeldet worden.

Was ist mit den Gewerkschaften. In Berlin duldet die traditionelle 1.-Mai-Demonstration des DGB in diesem Jahr wieder einen „klassenkämpferischen Block“ in ihren Reihen, an dem sich die linksextreme „Antifaschistische Linke Berlin“ beteiligt?

Witthaut: Auch der DGB muß dafür Sorge tragen, daß er nicht als Deckmantel von gewaltbereiten extremistischen Gruppen benutzt wird. Es sollte jedem klar sein, daß er als Anmelder einer Demonstration schnell den „Schwarzen Peter“ zugeschoben bekommt, wenn etwas passiert. Ich bin mir nur nicht sicher, ob jeder im DGB hierfür ausreichend sensibilisiert ist. Ich kann nur empfehlen, sich die Menschen und Gruppen genau anzusehen, mit denen man gemeinsam demonstriert, und potentielle Krawallmacher vorzeitig auszuschließen.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat unlängst die neue Statistik der politisch motivierten Kriminalität vorgestellt. Die Angriffe auf Polizisten haben erneut ein Rekordniveau erreicht. Die meisten Täter gehören der linken Szene an. Wie sollte die Politik Ihrer Ansicht nach hierauf reagieren?

Witthaut: Wir würden uns wünschen, daß der Angriff auf Polizisten, ob im Dienst oder nicht, einen eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch darstellt. Da die Politik hier aber andere Vorstellungen hat, sollte zumindest das bestehende Strafmaß ausgeschöpft werden. Häufig orientiert sich die Rechtsprechung in solchen Fällen zu sehr an der unteren Grenze. Daneben braucht es aber auch ein politisches Zeichen, wodurch deutlich wird, daß der Angriff auf Polizisten auch ein Angriff auf den Staat ist. Entscheidungen wie die Kennzeichungspflicht für Polizisten, wodurch die Beamten unter einen Generalverdacht gestellt werden, sind dabei sicherlich nicht das richtige Signal.

 

Bernhard Witthaut (55) ist Erster Polizeihauptkommissar und seit November 2010 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

 

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