© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Alle Zeichen stehen auf Gewalt
Linksextremismus: Wie in jedem Jahr rüstet sich die Berliner Polizei am 1. Mai für Ausschreitungen
Henning Hoffgaard

Die linksextreme Szene bereitet sich intensiv auf den Ersten Mai vor. Pflastersteine, Brandsätze, Laserpointer, explodierende Gaskartuschen, Pfefferspray und sogenannte Krähenfüße sind nur ein kleiner Teil des Waffenarsenals, das in den vergangenen Monaten gegen die Berliner Polizei zum Einsatz kam. Entsprechend nervös reagieren die Polizeigewerkschaften (siehe auch den Kasten): Einen „heißen 1. Mai“ befürchtet der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf. Nicht nur er erwartet erneut Ausschreitungen.

Der jüngste Anschlag, bei dem eine Polizeiwache in Berlin-Friedrichshain mit Brandsätzen angegriffen wurde, weckt Erinnerungen an das Jahr 2009. Damals waren am Maifeiertag fast 400 Polizisten verletzt worden. Bereits in der Walpurgisnacht hatten in der Hauptstadt zahlreiche Barrikaden und Mülltonnen gebrannt, am 1. Mai war es dann zu schweren Ausschreitungen zumeist linksextremer Gewalttäter gekommen. Daß seitdem keine Entwarnung gegeben werden kann, zeigen die Zahlen des Verfassungsschutzes zur politisch motivierten Gewalt gegen Polizisten: 572 gegen Polizeibeamte gerichtete Körperverletzungen zählten die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr. 14 Prozent mehr als noch 2009. Über zwei Drittel davon werden der linken Szene zugeordnet.

Wie sich die Räumung des „alternativen Wohnprojektes“ in der Liebigstraße 14 im Februar in Berlin und die wieder aufgeflammten politischen Auseinandersetzungen um die „Rote Flora“ in Hamburg auf die Mobilisierung im linksextremen Milieu auswirken, ist die entscheidende Frage für die Sicherheitsbehörden. Während Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) von „keiner außergewöhnlichen Mobilisierung“ ausgeht und sich dabei auf die vergleichsweise geringe Zahl entsprechender linker Flugblätter beruft, berichtet der Berliner Verfassungsschutz von einer unverändert hohen Anzahl von gewaltbereiten linksextremen Personen. Allein 1.100 davon gibt es in der Hauptstadt.

Die linksextremistische Szene selbst läßt sich ungern in die Karten schauen. Doch sie versucht offenbar, neben Berlin vor allem auch für Kundgebungen in Hamburg und Bremen zu mobilisieren. Bereits im vergangenen Jahr war es nicht nur in Berlin zu Auseinandersetzungen gekommen. Allein in Hamburg waren fast 30 Beamte verletzt worden. Wie in der Hansestadt geht auch in der Hauptstadt ein Großteil der Gewalt von den sogenannten „Revolutionären 1. Mai Demonstrationen“ aus. Die hatte in diesem Jahr ein Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linkspartei) angemeldet. Erst nach öffentlichen Protesten zog er diese zurück, um, wie er sagte, „Schaden von der Partei abzuwenden“. Der ersatzweisen Anmeldung durch den im linken Milieu weitgehend isolierten Aktivisten Roland Ionas Bialke, der auch schon als Sprengstoffexperte in Erscheinung getreten ist, räumen die Behörden indes wenig Mobilisierungspotential ein.

Auch die Berliner Polizei gibt sich wie üblich im Vorfeld sehr bedeckt. Dennoch, soviel ist klar: Etwa 5.000 Beamte wird Polizeipräsident Dieter Glietsch am 1. Mai aufbieten, um die etwa 200 bis 300 erwarteten gewaltbereiten Randalierer des harten linken Kerns in Schach zu halten. Dem Anliegen der Deutschen Polizeigewerkschaft, zum Schutz der Polizisten endlich auch Gummigeschosse einzusetzen, wird er dabei jedoch wohl erneut nicht stattgeben. Selbst der Einsatz von Wasserwerfern, auf die Glietsch im Jahr 2009 demonstrativ verzichtet hatte, bleibt umstritten. Angesichts der Abgeordnetenhauswahlen im September kündigte der rot-rote Senat immerhin an, bei Gewalt sofort einzugreifen.

Doch plagen die SPD derzeit offenbar ganz andere Sorgen: In einem Leitantrag zum Landesparteitag beschäftigen sich die Sozialdemokraten ausgiebig mit den Themen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus. Um linksextremistische Gewalt geht es nur an einer Stelle. Dort heißt es: „Durch gezielte und solide Polizeiarbeit wird vom SPD-geführten Senat Kriminalität bekämpft, während andere mediale Drohkulissen von islamistischem Terrorismus und linksextremen Brandstiftern aufbauen.“

Foto: Brennende Barrikade während einer 1.-Mai-Demonstration in Berlin: Die SPD warnt angesichts der Abgeordnetenhauswahl im September vor Drohkulissen

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