© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Thomas Leif ist Gründer und Chef des gerühmten wie gehaßten „Netzwerk Recherche“
Das Fähnlein der Guten
Fritz Berger

Die einen bewundern es als „moralische Instanz“ (Welt), andere höhnen über „selbsternannte Gralshüter des deutschen Journalismus“ (Focus). Das „Netzwerk Recherche“, eben hat es sein Zehnjähriges gefeiert, zählt zu den rührigsten deutschen Journalistenvereinen, ein Stelldichein der Medienschaffenden, wie Hans Leyendecker (SZ), Anja Reschke („Panorama“) oder Spiegel-Chef Georg Mascolo.

Gegründet wurde der Verband 2001 von Thomas Leif, Chefreporter beim SWR und Talkshow-Moderator, um „Recherchekultur und Aufklärungsjournalismus zu stärken“. Schaden kann es nicht, gilt deutscher Journalismus laut internationaler Studien doch als meinungsstark und rechercheschwach.

Die „investigative Intensivrecherche (...) die Neues präsentiert“ unterscheidet der 62jährige Rheinländer dabei von der „Regelrecherche, die Sachverhalte nur überprüft“. Letztere von Leif auch als Trash- und Recyclejournalismus gebrandmarkt, beruhe auf Faulheit oder Unfähigkeit der schreibenden Zunft. Jüngst unterstellte er gar eine neue Lust zur intellektuellen Prostitution: Daß Lobbyisten und Mächtige Medienleute einbinden, sei nicht neu, wohl aber, „daß Journalisten (ihrerseits) proaktiv enge Kooperation mit der Lobby pflegen“.

Gerne trägt man also das Fähnlein der Unabhängigkeit und Seriösität beim Netzwerk Recherche vor sich her – vielleicht ein bißchen zu demonstrativ, denn für Kritiker ist dieser „Förderkreis der deutschen Elite-Journalisten“ in erster Linie eine „Seilschaft“: Man „fördert sich (dort) vor allem selbst“, so etwa Christian Mensch, Medienjournalist beim Schweizer Nachrichtenmagazin Facts. Dazu paßte auch Leifs ARD-Reportage „Quoten, Klicks und Kohle“ von 2008, die vor allem die Vorzüge öffentlich-rechtlichen Journalismus pries. Der Spiegel spottete, der Beitrag sei gar nicht mit dem Logo „Dauerwerbesendung“ versehen gewesen, und die FAZ nannte ihn ein „peinliches Stück Selbstbeweihräucherung“.

Auch Leifs Sachbuchbestseller „Beraten und verkauft. Die Tricks der Unternehmens-berater“ (2008) brachte ihm Lobbyismus-Vorwürfe ein: Laut taz habe er den mit McKinsey kooperierenden Bertelsmann-Konzern unterschlagen, weil sein Buch dort erschienen sei. Schon 2003 hatte das Netzwerk einen bertelsmannkritischen Artikel aus einem Journalisten-Handbuch gekippt – „Kuschen statt Kritik“ nannte das der Focus.

Medienjournalist Mensch sieht gar „ideologische Scheuklappen“, etwa eine fragwürdige Nähe zur Friedrich-Ebert- und zur Otto-Brenner-Stiftung, einer Tochter der IG Metall. Fragwürdig auch die Auszeichung der Antifa-Journalisten Anton Maegerle und Andrea Röpke durch das Netzwerk. Denn deren Berichte über „Nazis in Nadelstreifen“ haben mit investigativer Recherche meist weniger, um so mehr aber mit Trash-Journalismus zu tun.

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