© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/11 29. April 2011

Lehren aus dem Untergang der DDR
Die Methode Schnitzler
Klaus Motschmann

In einem kleinen Kreis fanatischer marxistischer und antifaschistischer Ideologen ist vor kurzem ernsthaft die Frage diskutiert worden, ob nicht auch Karl-Eduard von Schnitzlers hemmungslose Agitationsmethoden gegen politisch Andersdenkende und gegen die Bundesrepublik insgesamt zum Zusammenbruch der DDR beigetragen
haben. Diskutiert wurde auch, welche Konsequenzen daraus für die Suche nach neuen Wegen zum alten Ziel gezogen werden sollten, von denen neuerdings in der Linkspartei wieder so intensiv die Rede ist.
(Es sei daran erinnert, daß Karl-Eduard von Schnitzler über Jahrzehnte hinweg mit seiner Fernsehsendung „Der schwarze Kanal“ der Chefagitator im Kampf gegen die Bundesrepublik gewesen ist.)

So absurd diese Frage auf den ersten Blick auch erscheinen mag, ist sie tatsächlich nicht. Stilsichere Ideologen empfinden sie als eine noch immer bestehende Verunsicherung im Prozeß der persönlichen Meinungsbildung. Die Methode Schnitzler zielte bekanntlich nicht auf eine sachliche Klärung strittiger Fragen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Sozialismus ab, sondern vor allem auf die Diskriminierung der politischen Überzeugungen und Bewußtseinsstrukturen der ideologischen Gegner. Faschismus ist in diesen Kreisen keine Ideologie oder Weltanschauung, sondern ein Verbrechen. Deshalb haben die sogenannten Faschisten alle verfassungsmäßigen Rechte verwirkt. Daraus folgt, daß dem Faschismus, was immer man darunter versteht, kein Raum gewährt wird, so heftig er auch verurteilt, bekämpft und kriminalisiert wird.

Immerhin werden in diesem Kampf trotz aller Diffamierungen und Haßtiraden konkrete Menschen und politische Fakten genannt, die selbst linientreue Genossen und intellektuelle Sympathisanten zum Nachdenken anregen. Zweifel breiten sich aus, weil immer mehr Menschen den Mut haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Sie nähern sich damit den Grundsätzen der Aufklärung und entziehen sich so dem Bannkreis immer neuer, ideologischer Wegweisungen.

Aus dieser offenkundigen Entwicklung darf die Hoffnung abgeleitet werden, daß eine realistische Beurteilung der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sich an den Realitäten orientiert – und nicht an den Wunschvorstellungen unserer Ideologen.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste Berlin.

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