© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Haltungsnote
Hobby-Tschekist
Christian Schwiesselmann

Frage an Radio Eriwan: Wie sieht der Einstellungstest für Spitzel der Staatssicherheit aus? Antwort: Aus drei Metern Distanz an eine Glaswand springen und sich mit dem Ohr festsaugen. Diese Paradedisziplin der vom Volksmund als „VEB Horch und Guck“ verulkten DDR-Schlapphüte scheint in der Linkspartei auf einer festen Tradition zu gründen. So wollte der Stadtrat für ökologische Stadtentwicklung im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf, Norbert Lüdtke (Die Linke), kürzlich ein internes Gespräch mit der Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke), Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff (CDU) und dem Unionsabgeordneten Mario Czaja ohne deren Wissen mit einem Aufnahmegerät aufzeichnen. Laut der Berliner Zeitung ging es um den Bau eines umstrittenen Einkaufszentrums.

Pech für den Hobby-Tschekisten: Das Gerät zum Mitschnitt des Gesprächs war stümperhaft zwischen einer Landkarte und einer Magnettafel befestigt und fiel währenddessen herunter. Nach Angaben des CDU-Kollegen Gräff versuchte Lüdtke sich zwischenzeitlich mit der Behauptung zu exkulpieren, das Aufnahmegerät habe zu einem Kunstprojekt gehört. Der Bürgermeisterin blieb nichts anderes übrig, als ein Disziplinarverfahren gegen ihren Genossen zu eröffnen.

Besonders hart dürfte den 54jährigen Ingenieurökonomen treffen, daß die Linkspartei, deren Vorvorgängerorganisation SED er seit 1979 angehörte, prompt den Rücktritt ihres Stadtrates forderte, „um Schaden von der Partei abzuwenden“. Weil dieser ausblieb, schloß sich die Linke-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung sogar dem Abwahlantrag der anderen Parteien an. Ob Lüdtke nach seinem politischen Karriereende in die Wohnungsverwaltung jener von der Linkspartei dominierten Plattenbaubezirke zurückkehrt, ist noch ungewiß.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen