© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Frisch gepresst

Schlesien. Johannes Sziborsky hält sich nicht an die Orwellschen Sprachregelungen, die hierzulande die Geschichte der ostdeutschen Provinzen umlügen, vor allem aber ihre polnisch-sowjetische Annexion samt der von genozidalen Verbrechen begleiteten Vertreibung relativieren. Der 1929 in Breslau geborene katholische Lehrersohn floh im Januar 1945 aus seiner Vaterstadt, erlebte aber im Böhmischen, im Feriendomizil seiner Familie in Wartha an der Glatzer Neiße, und im April 1946 sogar wieder in der schlesischen Hauptstadt, alle Facetten des Deutschen-Pogroms, alle Stufen der Entrechtung und Enteignung im Zuge des polnischen Landraubs, den „unvorstellbaren Terror gegen die deutsche Zivilbevölkerung“. Sziborsky, 1969 bei Herbert Ludat in Gießen promoviert mit einer Arbeit über „Die Germanisierung der Mark Brandenburg in der märkischen Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts“, erinnert an all dies Leiden während der „Polonisierung“ seiner Heimat ebenso wie an die Breslauer Bürgerlichkeit bis zum September 1939 und an seine Jugend im Krieg. Er erzählt Lebensgeschichte als Teil der Zeitgeschichte auf hochreflektiertem Niveau – ohne eine Minute zu langweilen. (dg)

Johannes Sziborsky: Wenig Idylle, viel Odyssee. Eine Jugend, die in Schlesien begann. Westkreuz-Verlag, Berlin/Bonn 2010, broschiert, 214 Seiten, Abbildungen, 14,90 Euro

 

Fernaufklärer. Max Lagodas Kriegserinnerungen verblüffen durch die sagenhafte Fülle des privaten Bildmaterials, mit dem der 90jährige Verfasser seinen Text ausstatten konnte. Unter weitaus gefährlicheren Umständen als die heutigen Awacs-Besatzungen erkundete Lagoda als Fernaufklärer über dem Nord- und Südabschnitt der Ostfront, „von Finnland bis zum Schwarzen Meer“, das Hinterland der Roten Armee. Mit seiner Ju 88 fühlte er sogar bis über Mossul im Irak vor. Die Luftaufnahmen von diesem abenteuerlichen Flug, ebenso wie von Leningrad, Moskau, der Region an der schicksalträchtigen unteren Wolga und vom Kaukasus zählen zu den zeithistorisch wertvollsten Perlen des großformatigen Bandes. Lagoda beendete den Krieg 1945 als Chef einer aus der Hitlerjugend rekrutierten Flakeinheit an der Westfront. Eine in US-Gefangenschaft mündende Schlußepisode, die er in Bild und Text ebenso penibel wie anschaulich zu dokumentieren weiß. (ob)

Max Lagoda: Ein Blick in die Vergangenheit. Kriegserinnerungen eines Fernaufklärers aus Rußland und dem Orient. Helios-Verlag, Aachen 2011, gebunden,   186 Seiten, Abbildun- gen, 34,90 Euro

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